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Ein Brief an Frau Ludin anlässlich des Kopftuch-Urteils
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Geschrieben von Arzu Toker   
Sunday, 19 October 2003
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Arzu Toker, geboren 1952 in der Türkei, lebt als Schriftstellerin und Journalistin in Köln. 1997 wurde sie für das griechisch-deutsch-türkische Lesebuch Kalimerhala (gemeinsam herausgegeben mit Niki Eideneier), mit dem Abdi-Ipekçi-Preis für Frieden und Freundschaft ausgezeichnet.

Gottesfürchtige, tugendhafte Frau Ludin, ich danke Ihnen - und dies ist der positive Aspekt - für Ihre Klage vor dem Bundesverfassungsgericht in Sachen Kopftuch, eine Klage, die endlich eine Grundsatzdebatte ausgelöst hat über Glaubensfreiheit, Toleranz und Säkularisierung.

Dafür, dass die völlige Islamisierung Afghanistans durch die Araber fünf Jahrhunderte in Anspruch nahm, haben Sie Ihre Lektion des Islam gut gelernt. Ich weiß nicht, woher Sie stammen, aber die Bevölkerung Kafiristans, des heutigen Nuristan, wurde sogar erst im Jahre 1895 gewaltsam islamisiert. Es gibt aufgeklärte Afghanen, Ihre ehemaligen Landsleute, die den Islam als Religion des arabischen Kolonialismus sehen. Sie können darüber natürlich anders denken. Das ist hier, in ihrer neuen Heimat, in dem es die individuelle Freiheit gibt, Ihr Recht.

Ich erwarte von Ihnen, einer bekennend Gläubigen, dass Sie mindestens zwei weitere Klagen einreichen: Erstens eine Klage gegen das deutsche Erbrecht. Schließlich dürfen Sie nach dem islamischen Recht nur die Hälfte von dem, was ein männlicher Erbe bekommen würde, erben (Sure 4, 11-12). Ich hoffe, Allah hat Ihre Eltern nicht mit zu vielen Söhnen beschenkt! Zweitens eine Klage gegen das Zeugenrecht, da vor Gericht die Aussage eines Mannes nur aufgewogen werden kann von der gleichlautenden Aussage zweier Frauen.

Ein Muslim lebt nach den Vorschriften des Koran und den Anweisungen der Überlieferungen, die sein geistliches, soziales und juristisches Denken und Leben prägen. Die Gesetze des Islam sind die einzigen Gesetze denen er zu gehorchen hat. Natürlich, Artikel 4 des Grundgesetzes garantiert die Bekenntnisfreiheit. Diese Freiheit beinhaltet nicht nur die innere Freiheit jedes Menschen, zu glauben, sondern auch die äußere Freiheit, diesen Glauben zu manifestieren, zu bekennen und zu verbreiten. Aber die Väter unseres Grundgesetzes ahnten, als sie den Artikel 4 verfassten, weder etwas von den kommenden Migrationsbewegungen, noch von der religiösen Radikalisierung und dem tief sitzenden Minderwertigkeitskomplex vieler Muslime. Die "Ungläubigen", so heißt es bei ihnen, beherrschen die Weltwirtschaft. Die Enttäuschung darüber mündet nicht in Selbstkritik und Reflektion sondern in sinnloser Wut.

Die islamischen Länder haben die Charta der Menschenrechte bis heute nicht unterschrieben, weil sie meinen, dass es kein Menschenrecht gebe, sondern nur die Rechte Allahs an Menschen. Möchten Sie, Frau Ludin, Klage einreichen, um die Menschenrechte abzulehnen oder möchten Sie sich à la carte bedienen, je nach dem was Ihnen gefällt? Ich glaube, Ihre Kopftuch-Klage ist der zivile Teil eines langwierigen politischen Kampfes, der in Deutschland bisher leider nicht sensibel registriert wurde. Saudi Arabien, das Land in dem Sie, Frau Ludin auch lebten, finanzierte bereits seit 1970 die Re-Islamisierung der Migranten. Islamistische Ausschreitungen in der Türkei, im Nahen Osten waren zu weit weg, um hier die Gemüter zu bewegen. Die Ängste der hiesigen Migranten, die nicht "so gläubig" sind, wurden nicht ernst genommen. Wenn wir nicht die Saat der Religionskämpfe in Deutschland legen wollen, müssen wir über die Säkularisierung debattieren, statt pseudo-islamische Körperschaften anzuerkennen und Islam in den Schulen zu lehren.

Für die Muslime stellt sich grundsätzlich die Frage, ob sie in einer Gesellschaft leben möchten, in der das islamische Gesetz allenfalls eine Randerscheinung ist, in der das Rechtswesen als Grundlage der Gesellschaft dem islamischen Recht widerspricht. Frau Ludin, Sie wussten bereits als sie die Einbürgerung beantragten, welche Gesellschaft dies ist. Sie haben mit der Einbürgerung die Verfassung, das Grundgesetz akzeptiert. Oder war das nur eine Farce?

Ich hoffe, dass Sie mit einem wirklich gläubigen Muslim verheiratet sind. Was ist, wenn er klagt, drei weitere Frauen offiziell heiraten zu dürfen? Es ist sein islamisches Recht nicht, wahr? Ich bedauere, dass Sie ihn nicht verklagen werden, falls er Sie schlagen sollte, dies ist sein von Allah verbrieftes Recht. "Und wenn ihr befürchtet, dass die Frauen sich auflehnen, dann ermahnt sie, meidet sie im Ehebett und schlagt sie... " (Sure 4,34).

Letzte Aktualisierung ( Saturday, 10 April 2004 )
 
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