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Ökonomische Sachverhalte sind schwierig, denn sie hängen von sehr vielen
unterschiedlichen Faktoren ab, die nicht "wissenschaftlich"
determiniert werden können und untereinander wechselwirken. Das macht es naturgemäß sehr schwer,
zukünftige Entwicklungen vorauszusagen. Immer wieder gibt es Debatten darüber,
welche konkreten Handlungsoptionen heute zu wählen sind, um gewünschte
Entwicklungen - wie Wachstum, Beschäftigung, Vermeidung von Abfall, Abgasen
etc., Einsparen von Energie, Vermeidung von Krieg und bewaffneten Konflikten -
zu verstärken und negative Entwicklungen zu vermeiden oder zu mindern.
Oft ist dabei ein tatsächlicher Zusammenhang zwischen den vorgeschlagenen
Maßnahmen und dem gewünschten Effekt nicht "wissenschaftlich" zu
beweisen. In vielen Fällen gibt es sogar ganz wesentliche Indizien, daß die
Maßnahmen wohl in keinem Falle zu den gewünschten Effekten führen werden.
Genau aus dem Grund habe ich eine einfache Betrachtung angestellt. Ich habe
die tatsächlichen Daten der vergangenen 30 Jahre (wie durch das
Bundesministerium der Finanzen veröffentlicht) genommen und ein Szenario
gebildet, welche Entwicklungen eintreten, wenn diese Entwicklung einfach in die
Zukunft fortgeschrieben wird.
Dabei sind implizit die folgenden Annahmen enthalten:
- Die wirtschaftliche Entwicklung vollzieht sich in der Zukunft wie in der
Vergangenheit, d. h. die Konjunkturzyklen der letzten 40 Jahre sind
repräsentativ für die Konjunkturzyklen der Zunkunft.
- Die demographische Zusammensetzung der Gesellschaft bleibt in der Zukunft
die gleiche wie in den letzten 30 Jahren.
- Es wird keine signifikanten Störereignisse geben, die den fundamentalen
Trend verändern (Bevölkerungsentwicklung, ökonomische Krisen, Krieg, Klimawandel etc.). 1. Betrachtung - Mittelwerte
Wenn man die Mittelwerte der letzten 30 Jahre bei Einnahmen und Ausgaben des
Bundes betrachtet, so ist festzustellen, daß:
a) Die Einnahmen des Bundes kontinuierlich gestiegen sind. Mit Ausnahme der
Jahre 1988 (-0,5 %), 1996 (-5,5%) und 2002 (-1,0%) hat es kein Jahr gegeben, in dem die
Einnahmen des Staates absolut gesunken sind. (In 2003, +0,1% und 2004 z. B. sind die Einnahmen des Staates absolut um 3,6 % gestiegen - stärker als z. B. das Wirtschaftswachstum.)
b) Im Mittel sind die Ausgaben des Bundes um 6,55% gestiegen, während
die Einnahmen im Mittel um 6,1% gestiegen sind. D. h. die Ausgaben sind
über die letzten 30 Jahre um 0,45% schneller gestiegen als die
Ausgaben. Die Anfang 2005 prognostizierten Steuermindereinnahmen beziehen sich wiederum auf eine langsamere Steigerung der Einnahmen, als vorausberechnet wurde, zum ersten Male kann man aber absehen, daß die eingenommenen Steuern auch absolut sinken werden, was die hier aufgezeigte Entwicklung beschleunigen und verschärfen wird, da nicht absehbar ist, daß die Ausnahmen reduziert werden.
De facto hat der Bund also kontinuierlich seine Ausgaben stärker gesteigert,
als seine Einnahmen. Als Ergebnis hat sich das Finanzierungssaldo, also die
Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben strukturell kontinuierlich gesteigert.
1974 Finanzierungssaldo: (10.344 Mio) DM
1984 Finanzierungssaldo: (28.624 Mio) DM
1994 Finanzierungssaldo: (50.588 Mio) DM
2003 Finanzierungssaldo: (69.334 Mio) DM (Eur 35.496)
Während dieser Zeit hat sich mit dem Finanzierungssaldo eine Kostenposition
im Bundeshaushalt ergeben, die ebenso kontinuierlich gestiegen ist. Die
Zahlungen für Zinsen, die in 2004 bereits 9% des gesamten Bundeshaushaltes
ausmachen.
Während also Schulden (= Einnahmen) für Investitionen hergenommen werden
können oder um Kosten zu decken, sind Zinsen Ausgaben, denen keine Leistung
gegenüberstehen.
Beispiel: Wenn ich also 1000 Euro Schulden mache, habe ich zunächst 1000
Euro mehr in der Kasse (1000 Einnahme), wenn ich dafür in einem Zeitraum von
5 Jahren 50 Euro Zinsen zahle, habe ich eine Ausgabe von 50 Euro gehabt, denen
keine Leistung gegenübersteht.
Wir sind dabei heute de facto schon an einem Punkte angelangt, wo die jährlichen Zinszahlungen die Neuverschuldung übersteigen, das heißt aus dem Schuldengeld steht schon nichts mehr für Investitionen oder Ausgaben zur Verfügung, sondern geht alles in die Zinszahlungen - mehr noch: wir müssen Steuergeld nachschießen und den Posten "Zinszahlungen" mit frischem Steuergeld auffüttern - die Leistungsfähigkeit des Steueraufkommens lässt also wegen der Schulden bereits drastisch nach.
(Ein Haushaltsdefizit bedeutet immer eine Deckungslücke, die durch Schulden
oder z. B. Verkauf von Vermögen ausgeglichen werden muß.)
2. Das Ende der Schulden?
Immer wieder wird über die Verfassungsmäßigkeit der öffentlichen
Haushalte diskutiert. Natürlich muß dabei jedem klar sein, daß ein
verfassungsgemäßer Haushalt noch lange kein ökonomisch sinnvoller Haushalt
ist, denn die Verfassungsmäßigkeit sagt ökonomisch gesehen garnichts aus.
Der Grundsatz: Die Neu-Schulden (Netto-Kreditaufnahme) dürfen die Investitionen in einem Haushaltsjahr
nicht übersteigen, hat als Hintergedanken, daß mit neuen Schulden eben in
gleichem Maße Werte geschaffen werden sollen, die den Schulden dann zur Deckung
als "Volksvermögen" gegenüberstehen.
Dieser Grundsatz vernachlässigt natürlich einige ökonomisch relevante
Faktoren. Jede Investition muß über einen festgelegten Zeitraum abgeschrieben
werden. D. h. viele Investionen verlieren über die Zeit an Wert und stellen
dann nicht mehr die Anschafungskosten, sondern nur noch einen Zeitwert dar. Des
weiteren fehlt der Aspekt der Folgekosten. Jede Investion, die über Schulden
finanziert wird, hat als Folgekosten mindestens die Zinsen, in den meisten
Fällen aber auch noch Betriebs-, Erhaltungs- und Modernisierungskosten.
Eine Frage, die ich mir gestellt habe: Wann ist das Ende der Schulden
erreicht. Klar ist, daß niemand, auch nicht der Staat, endlos immer weiter neue
Schulden machen kann. Wie am Beispiel von Argentinien ersichtlich, ist das Ende
der Schulden natürlich dann erreicht, wenn es niemanden mehr gibt, der dem
Schuldner Geld verleihen möchte.
Grenze: Fällige Zinsen = gesamte Einnahmen des Staates (im folgenden Totalverschuldung
genannt)
Daneben gibt es aber auch eine mathematische Grenze für neue Schulden
(Totalverschuldung): Diese
Grenze ist erreicht, wenn die Zinszahlungen die gesamten Einnahmen übersteigen.
Denn in diesem Moment müssen Schulden aufgenommen werden, die nur noch der
Zinszahlung dienen und damit die Zinslast weiter erhöhen. Wenn also mit den
gesamten Einnahmen des Staates nur noch die Zinsen bezahlt werden können, ist
ein Punkt erreicht, bei dem eine weitere Verschuldung auch theoretisch nicht
mehr möglich ist.
Wann ist dieser Punkt - Totalverschuldung - erreicht ? (ein Szenario im Detaill finden Sie hier)
Wenn man von folgenden Annahmen ausgeht:
1) Die Einnahmen des Bundes steigen weiter mit dem Mittelwert der letzten 30
Jahre also um durchschnittlich 6,1 %.
2) Die Ausgaben des Bundes steigen ebenfalls weiter mit der mittleren
Steigerung der letzten 30 Jahre also um durchschnittlich 6,55%.
3) Der Bund kann sich weiter zu dem historisch niedrigen Zinssatz von aktuell
3,4% (Rendite von 10 jährigen Bundesschatzbriefen) finanzieren.
Dann ergibt sich folgendes Szenario:
Totalverschuldung: Im Jahr 2075 erreichen die Zinszahlungen die Summe aller Einnahmen des
Bundes, die dann 20.857.489 Mio Euro
betragen würden (heute: 292.614 Mio Euro).
Im Jahre 2075 hätten sich also die Einnahmen
ver-71ig facht, der Bund würde also 71 mal mehr einnehmen als heute, und
dennoch hätten die Zinsen alleine einen Betrag von 20.362.246 Mio Euro erreicht
(98% aller Einnahmen). Im Jahre 2076 würden die Zinsen dann die Einnahmen
überschreiten (101% aller Einnahmen). Alle Zahlen der Tabelle in Millionen Euro, es handelt sich also in 2075 um 20.857.489.000.000 Euro!
Jahr |
Einnahmen |
Ausgaben |
Schulden |
Zinsen |
Quote |
2075 |
20.857.489 |
81.934.686 |
598.889.602 |
20.362.246 |
98% |
2076 |
22.130.829 |
89.380.988 |
659.966.800 |
22.438.871 |
101% |
3. Wichtige Meilensteine
Natürlich ist die Grenze "Einnahmen = Zinsen" eine theoretische
Grenze. Bereits wenn 50% der Einnahmen für Zinsen aufgewendet werden müssen
(Jahr 2057) wäre ein Punkt erreicht, an dem sich wahrscheinlich kein Geldgeber
für neue Schulden mehr fände.
Schon im Jahre 2046 überstiegen die Ausgaben die Einnahmen des Bundes um das
Doppelte! (Einnahmen: 3.968.840 Mio Euro,
Ausgaben: 7.962.403 Euro)
Im Jahre 2012 würde das Finanzierungssaldo
die Schallgrenze von 100.000 Mio Euro übersteigen (2012: 102.784 Euro).
4. Sudden Death?
Unter Sudden Death versteht man im Sport eine Variante, bei der ein einziges
Spielereignis das Spiel sofort beendet. Welche Ereignisse können zu einem
"sudden death" des staatlichen Schuldenspiels führen?
- Steigenden Zinsen: Würde die Weltwirtschaft in eine Phase hoher Zinsen
eintreten (wie z. B. während der 80er Jahre), so würden die anfallenden Zinsen
entsprechend stärker steigen. Bereits eine Veränderung von 1% auf 4,4% würde
den Zeitpunkt der Totalverschuldung auf das Jahr 2060 vorverlegen. Bei 8,2 %
Zinsen (Durchschnitt der Jahre 1980 - 1990) würde die Totalverschuldung bereits im
Jahre 2034 eintreten. Tatsächlich ist es ein Gesetz, daß mit steigender
Verschuldung die Zinsen ebenfalls stark ansteigen werden.
- Wenn die Einnahmen im Schnitt in der Zukunft nur um 5,1% anstatt um 6,1%
steigen, so ist der Zeitpunkt der Totalverschuldung bereits im Jahre 2049
erreicht. Bei Einnahmensteigerung von 2,5 % bereits im Jahre 2027.
- Ca. alle 5 Jahre hat sich in der Vergangenheit ein Haushaltsjahr ergeben,
in dem die Ausgaben die Einnahmen signifikant überschritten haben (z. B. 1975 -
29925, 1981 - 37.390 Mio DM, 1988 - 35.388 Mio DM, 1991 - 50.764 DM, 1996 -
78277 Mio DM, 2003 - ca. 79 Mio DM) - geht man davon aus, daß es auch in der
Zukunft zu derartigen Ausreißern alle 5 Jahre kommen wird, so wird die
Totalverschuldung ca. im Jahr 2029 erreicht werden.
5. Anforderungen
Durch eine einfache Maßnahmen läßt sich die Totalverschuldung vermeiden:
Die Steigerung der Ausgaben muß unter der Steigerung der Einnahmen
bleiben. Wenn die Einnahmen sinken sollten bedeutet das des weiteren, daß
die Ausgaben stärker sinken müssen (Ausgaben < Einnahmen)
Mittelfristig muß die Verschuldung zurückgeführt werden, denn mit den
Schulden ergeben sich Risiken, auf die durch Haushaltsführung nicht eingewirkt
werden kann (z. B. Zinssatz).
Ähnlich sieht es mit den Einnahmen aus. Die Einnahmen sind zum großen Teil
Schwankungen unterworfen, die kaum durch die Haushaltsführung zu beeinflussen
sind (siehe die Schwankungsbreite der Steuerschätzungen).
Das läßt als das eigentliche Feld der Haushaltspolitik nur noch die
Kontrolle und Begrenzung der Ausgaben zu. Sparen heißt nicht weniger mehr
ausgeben, sondern muß dazu führen, daß absolut weniger ausgegeben wird. Nur
auf diesem Feld wird sich in Zukunft die Handlungsfähigkeit der Regierung
zeigen und bewähren müssen.
http://www.heinz-familie.de/HTML/SzenarioSchuldenZinsenBund.htm
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