Veraltetes Paradigma noch in vielen Köpfen
Bis in die Neuzeit galt noch: Weil die gesamte Menge der Güter in der Gesellschaft begrenzt war - jeder einzelne produzierte nur wenig mehr als er selbst benötigte, konnte der Einzelne oder eine Gruppe, wie z. B. der Adel, nur dann „reich“ werden, wenn gleichzeitig ein Anderer oder eine andere Gruppe, z. B. Leibeigene, „ärmer“ wurden. Wenn eine Gruppe versuchte, überproportional reicher zu werden, als eine andere, so resultierte dies in einer so massiven Verarmung breiter Bevölkerungsschichten, daß in der Folge Krisenhafte Situationen ausgelöst wurden (z. B. französische Revolution).
Mit der Industrialisierung, die während des Paradigmenwechsels zunächst die gleichen Symptome zeigte, i. e. die Verarmung breiter Schichten der Bevölkerung, änderte sich dieses gesellschaftliche Grundgesetz völlig.
In dem Maße, wie sich die Menge der angebotenen Waren ausweitet, erweitert sich auch der Verteilungsspielraum. Solange kein Einzelner oder keine Gruppe den eigenen Wohlstand stärker steigert, als das erwirtschaftete Wachstum zusätzlichen Spielraum generiert, wird auch niemand ärmer, da niemandem etwas weggenommen werden muß – der Zugewinn des Einzelnen speist sich allein aus dem Wachstum.
Die Entwicklung zeigt, daß (in unterschiedlichem Maße) immer sogar alle gesellschaftlichen Gruppen an diesem Wachstum teilhaben. Heute beispielsweise wird einem Arbeitslosengeld II Empfänger ein „bedürfnisorientierter“ Warenkorb (Fernseher, Waschmaschine, Wohnung, Nahrungsmittel) zugemessen, der über dem liegt, was einem durchschnittlichen Arbeiterhaushalt 1963 zur Verfügung stand. Das Wachstum hat hier innerhalb von vierzig Jahren den Wohlstand aller soweit verbessert, daß Arbeits- und Vermögenslose heute den Standard von hart arbeitenden Familien vor vierzig Jahren erhalten können.
Deutlich zeigt sich die Wichtigkeit des Wachstums auch beim Vergleich der wirtschaftlichen Entwicklung in ehemaligen Kolonien. Während die auf dem überkommenen Interpretationsmuster aufbauende Deutung davon ausgeht, daß die ehemaligen Kolonialmächte dadurch reicher wurden, daß die kolonisierten Länder ärmer wurden, zeigt sich, daß heute ehemalige Kolonien wie z. B. die USA, Kanada, Taiwan, Brasilien oder Korea eine Wachstumsgesellschaft mit in den letzten 40-100 Jahren gesamtgesellschaftlich stark steigendem Wohlstand darstellen und die Armut einzelner Kolonien primär auf deren Wachstumsschwäche zurückzuführen ist. In vielen Staaten verschärft durch das Faktum, daß einzelne Gruppen in diesen Staaten versuchen, den eigenen Wohlstand stärker zu steigern, als dies das Wachstum des Landes erlaubt.
Aus dieser Sicht bedeutet Wachstum in anderen Staaten in erster Linie eine Vergrößerung des Wohlstandes für alle. Mit steigendem Wohlstand intensiviert sich der Handel, der wiederum zu stärkerem Wachstum führt.
Bedeutung der wirtschaftliche Freiheit
Das Forschungsinstitut Heritage Foundation veröffentlicht bereits seit Jahren einen „Economic Freedom Index”, einem Index von 155 Länder, in dem die wirtschaftliche Freiheit zwischen 1 (völlig frei) und 5 (völlig reguliert) gemessen wird und aus dem sich eine Rangliste der wirtschaftlichen Freiheit ergibt. Empirisch zeigt sich in diesem „Economic Freedom Index“, daß die Länder, die ihren Bürgern mehr wirtschaftliche Freiheit gewähren, der Wohlstand ansteigt, während in Ländern mit eingeschränkter wirtschaftlicher Freiheit das Wachstum stark begrenzt ist.
Über die vergangenen Jahre hat sich ergeben, daß es empirisch sowohl eine Korrelation zwischen erreichtem Wachstum und dem Index wirtschaftlicher Freiheit als auch zwischen Verbesserung des Indexes und erreichtem Wachstum gibt. So konnte China den Index wirtschaftlicher Freiheit in den letzten Jahren sehr stark steigern und in der Folge beim Wachstum eine Spitzenposition in der Welt einnehmen. Ähnliches gilt innerhalb der EU z. B. für Irland, das zunächst den Index wirtschaftlicher Freiheit verbesserte und in der Folge von einem stark verbesserten Wachstum profitieren konnte.
Bedenkenswert ist: 4,6 Milliarden Menschen auf der Welt leben in Ländern, die als überwiegend unfrei eingestuft werden. Nur für 1,4 Milliarden Menschen überwiegt die wirtschaftliche Freiheit. Die Verteilung entspricht - entsprechend der These - relativ präzise der Verteilung von Wohlstand in der Welt.
Die Position Deutschlands
Deutschland steht unter 155 Staaten auf Platz 18, eingestuft als „überwiegend frei“. Der überbordende staatliche Sektor sowie die massive Regulierung von Wirtschaft und Arbeitsmarkt senkt den Index ab. Meines erachtens wird besonders mit der Agenda 2010 eine weitere Ausweiteung des staatlichen Sektors stattfinden denn hier wird nur ein neues Mittel implementiert, um in den Arbeitsmarkt einzugreifen, ohne dabei die Freiheit der Wirtschaft zu vergößern.
Was sich aus dem Index auf jeden Fall ablesen lässt: erst wenn sich Deutschland darauf fokussiert, die wirtschaftliche Freiheit seiner Bürger herzustellen und ein Wachstumsklima zu schaffen anstatt sich darum zu bemühen, jeden gleichmäßig zu alimentieren, werden die Wachstumskräfte wieder ein Niveau erreichen, das es ermöglicht, in allen Schichten einen Zuwachs an Wohlstand zu generieren.
Reicher Staat - Arme Bürger
Mit dem alten Paradigma im Kopf wird der Staat von vielen noch als "Robin Hood Maschine" angesehen, der den Reichen den unverdienten und geraubten Überfluss nimmt um den Armen, Beraubten zurückzugeben. Tatsächlich kann aber jeder auf seiner Gehaltsabrechnung nachvollziehen, daß dem nicht so ist: das Unternehmen macht jeden Arbeitnehmer reicher, bevor der Staat ihn Ärmer macht. Hier korreliert der "Raub" des Staates direkt mit der wirtschaftlichen Freiheit, denn mit jedem Cent, der einem Verdiener von seinem Lohn weggenommen wird, behauptet der Staat, daß er besser wisse, wie das verdiente Geld auszugeben sei (angesichts der langen Liste gescheiterter staatlicher Projekte eine wenig glaubwürdige Behauptung).
Ein weiterer Aspekt ist der Rückzug des Staates aus der produktiven Wirtschaft (Privatisierung), ohne daß zugleich die Staatsquote, als das durch den Staat ausgegebene Geld, sinken würde. Solange Stahlwerke, Automobilfabriken, Telekom, Post etc. in der Hand des Staates waren, trugen Investitionen durch den Staat zum Teil auch zum Wirtschaftswachstum bei, während heute, bei sogar ausgeweiteter Quote, die Ausgaben des Staates fast ausschließlich konsumtiver Natur sind.
"Businesses must contend with a vast and confusing web of regulations. According to the U.S. Department of Commerce, “Many new investors consider bureaucracy excessive…. The German government recognizes that certain aspects of German tax, labor, health, environmental and safety regulations are overly burdensome and impede new investment.” Germany’s wages and fringe benefits are among the highest in the world. The Financial Times reports that in March 2003, the government introduced Agenda 2010, a “mixed bag of reforms to the social security system, the labour market and the health service.” These reforms, however, fall short of providing a flexible environment for investment." Die Beurteilung der Situation von Investoren, die mit einem "vast and confusing web of regulations", einem komplizierten und undurchschaubaren Netz von Vorschriften, konfrontiert sind und das vernichtende Urteil über die begonnenen Reformen, die "fall short of providing a flexible environment for investment, also den Aspekt eines dynamischen und flexiblen Rahmens für neue Investitionen völlig vermissen lassen, ist deprimierend und bestätigen den Verdacht, daß Deutschland seine Bürger in wirtschaftlicher Unfreiheit hält. Neue Arbeitsplätze können so nicht entstehen.
Wirtschaftliche Freiheit in Deutschland bedeutet daher primär, die Menschen selbst auch über das Geld entscheiden zu lassen, das sie verdienen - also eine massive Rückführung des Staates. Das wäre gleichzeitig auch das beste Programm zur Steigerung der Binnennachfrage! Denn während aktuell von 100 Euro Lohnerhöhung nur 43 Euro tatsächlich in die Binnennachfrage gehen, da 57% in Form von Steuern und Abgaben an den Staat fließen, würde eine Steuersenkung direkt netto auf die Binnennachfrage wirken
Deutschland beweist so: reicher Staat - arme Bürger!
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