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Alternde Gesellschaft bedroht Staatshaushalte
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Geschrieben von Claus Hulverscheidt, Berlin   
Tuesday, 08 March 2005

Die großen westlichen Industriestaaten sind nach Ansicht des Internationalen Währungsfonds (IWF) nicht oder nur völlig unzureichend auf das Problem der alternden Gesellschaft vorbereitet.

 

Das geht aus dem halbjährlichen "World Economic Outlook" (WEO) des IWF hervor, der Mitte April in Washington veröffentlicht werden soll und der FTD bereits vorliegt. Auch Deutschland wird darin kritisiert: Zwar gingen die jüngsten Rentenreformen ebenso in die richtige Richtung wie die Agenda 2010 von Kanzler Gerhard Schröder. Sie seien aber nicht weitgehend genug.

 

Das steigende Durchschnittsalter der Menschen in den Industrie- und Schwellenländern wird die Sozialversicherungskosten in den kommenden Jahrzehnten erheblich erhöhen. Experten rechnen mit einer Belastung der öffentlichen Haushalte von vier bis fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) pro Land und Jahr. Im Falle Deutschlands wären dies unter gegenwärtigen Bedingungen rund 9 Mrd. bis 11 Mrd. Euro.

 

"Trotz vereinzelter Fortschritte - etwa in der Euro-Zone und in Japan - sind die weitaus meisten Industrie- und Schwellenländer schlecht auf den Druck vorbereitet, der durch die Alterung der Gesellschaft entsteht", heißt es im WEO. Das gelte vor allem für die Gesundheitssysteme, die von der Demografieentwicklung ebenso betroffen seien wie die Rentenkassen. Das Problem werde bereits in wenigen Jahren spürbar.

 

 

Desolater Zustand

 

Sorgen bereitet den IWF-Volkswirten vor diesem Hintergrund vor allem, dass viele öffentliche Haushalte schon heute in einem desolaten Zustand sind: "In den größten Industrieländern - mit Ausnahme Kanadas - sind die Finanzierungsdefizite unverändert hoch", heißt es in dem 150-seitigen Bericht. Verschlimmert werde die Situation noch dadurch, dass "die vorgesehenen Verbesserungen durch die Bank unambitioniert sind und in einigen Fällen auch nicht durch glaubwürdige Maßnahmen untermauert werden".

 

Laut IWF hat sich das Finanzierungsdefizit in der Euro-Zone im vergangenen Jahr auf durchschnittlich minus drei Prozent des BIP erhöht. Um Konjunktureinflüsse bereinigt verharrte der Fehlbetrag bei 2,1 Prozent. Noch problematischer aber seien die hohen Schuldenstände in den EU-Ländern, kritisieren die IWF-Ökonomen. "In Zeiten robusten Wachstums sind die Haushalte völlig unzureichend konsolidiert worden. Jetzt sind die Budgets sich verschlechternden wirtschaftlichen Bedingungen ungeschützt ausgesetzt."

 

Wie schon in den Weltwirtschaftsberichten der vergangenen Jahre fordern die Fondsexperten die Regierungen Europas erneut zu einschneidenden Strukturreformen auf, insbesondere auf dem Arbeitsmarkt. Nur so werde es gelingen, das Potenzialwachstum zu erhöhen und in der Folge auch die Haushaltssituation zu verbessern.

Lahme Binnennachfrage

 

Zugleich räumen die Ökonomen ein, dass das größte Problem der meisten europäischen Volkswirtschaften nicht der vermeintlich schlechte Investitionsrahmen für die Unternehmen, sondern die mangelnde Binnennachfrage sei: "Das starke Wachstum der Unternehmensgewinne muss erst noch in einen nennenswerten Anstieg der Investitionsausgaben münden (...). Gleichzeitig haben das langsame Wachstum von Löhnen und Beschäftigung bei gleichzeitig hoher Abgabenlast sowie das fehlende Vertrauen den Konsum gedämpft", heißt es in dem Bericht.

 

Lob findet der WEO für die Agenda 2010 in Deutschland, den eingeleiteten Umbau des Alterssicherungs- und des Gesundheitswesens in Frankreich und die Rentenreform in Italien. "All diese Reformen müssen aber weiter vertieft und stärker nach Wichtigkeit geordnet werden", fordern die Ökonomen. Der Fokus müsse dabei eindeutig auf Arbeitsmarktreformen, dem Abbau zu generöser Versorgungssysteme, der Verringerung der Steuerlast und der Liberalisierung der Gütermärkte liegen.

 

Angesichts der vielfältigen Probleme gehen die Volkswirte davon aus, dass das Wachstum in der Euro-Zone 2005 mit 1,6 Prozent einmal mehr deutlich hinter dem in den USA (3,7 Prozent) zurückbleiben wird. 2006 dürfte das Plus in Europa mit 2,2 Prozent etwas höher ausfallen. Wie bereits berichtet, bleibt die Entwicklung in Deutschland unterdurchschnittlich: Für das laufende Jahr erwartet der IWF ein Wachstum von 0,8 Prozent, für 2006 von 1,9 Prozent. Sämtliche Prognosen werden bis zur Veröffentlichung des WEO in knapp sechs Wochen aktualisiert.

© 2005 Financial Times Deutschland 

Letzte Aktualisierung ( Tuesday, 08 March 2005 )
 
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