Gestern wurde in Italien eine weitgehende Verfassungsänderung beschlossen.
Interessant dabei: in Italien kann die Verfassung mit EINFACHER MEHRHEIT geändert werden.
Inhalte der Verfassungsänderung:
- der Premierminister/Presidente del Consiglio (=Regierungschef in Italien, etwa Bundeskanzler) kann Minister entlassen und ernennen, ohne das er auf die Unterschrift des Staatspräsidenten angewiesen ist.
- der Premierminister kann das Parlament zu jedem beliebigen Zeitpunkt auch ohne definierten Anlass auflösen und Neuwahlen des Parlamentes ansetzen. Von diesen Neuwahlen ist er selbst aber nicht betroffen, denn
- der Premierminister wird vom Volk direkt gewählt, muß also keine Mehrheit im Parlament mehr haben.
Das würde aller Erfahrung nach zu einer weitgehenden De-Stabilisierung in Italien führen, wie sich in allen Ländern gezeigt hat, wo der Regierungschef (nicht Staatschef) direkt und unabhängig vom Parlament gewählt wird.
Denn in allen bekannten Fällen kommt es dazu, daß der Regierungschef gegen eine Mehrheit im Parlament regieren muß, und daß sich die Partei des Regierungschefs in der Opposition bzw. Minderheit befindet. (siehe Israel)
Hier tritt als italienische Besonderheit dann das Recht ein, daß der Regierungschef das Parlament auflösen und Minster einsetzen und entlassen kann, und solange mit einer geschäftsführenden Regierunge weiterregieren kann, bis wieder eine genehme/eigene Mehrheit hergestellt ist - sowas gibt es nirgendwo sonst und das ist gerade auch kein Präsidialsystem wie in Frankreich oder den USA (wo der Präsident ja Regierungschef und Staatspräsident ist und durch die „Balance of Power“ kontrolliert wird), sondern erinnert mehr an z. B. die Franco-Diktatur in Spanien oder die Pinochet-Diktatur in Argentinien.
Die Verfassungsänderung (mit knapper einfacher Mehrheit beschlossen) ist ein Ermächtigungsgesetz, zugeschnitten auf Silvio Berlusconi, den mehrfach wegen krimineller Machenschaften verurteilten Premierminister, der in seiner Koalition in der Vergangenheit schon mehrere Krisen durchgestanden hat und Kompromisse eingehen musste, besonders wenn es um Gesetze "ad personam", also zum eigenen privaten Vorteil ging. Diese Kompromisse muß er nun nicht mehr machen.
Pikant auch: Die Verfassungsänderung gesteht dem Premierminister weitreichende Einfluß- und Weisungsmöglichkeiten gegenüber der Justiz zu. So bestellt ab jetzt der Premierminister auch die Richter des Verfassungsgerichtes.
Ein Aussprache über die Verfassungsänderung im Parlament wurde durch Berlusconi verhindert, die Änderung einfach durchgewunken. In der italienischen Öffentlichkeit, den von Belusconi kontrollierten elektronischen Medien und weiten Teilen der Presse, kommt die Verfassungsänderung nicht vor und wird totgeschwiegen.
Eine Volksabstimmung, die die Opposition bei Verfassungsänderungen verlangen kann (obschon sich daran mindestens 50% der wahlberechtigten Bevölkerung beteiligen müssen und es eine absolute Mehrheit GEGEN die Änderung und nicht für die Änderung geben muss, um die neue Verfassung zu verhindern) ist von Berlusconi auf unbestimmte Zeit, angekündigterweise aber mindestens bis Ende 2006 (nach den nächsten Parlamentswahlen in Italien) verschoben worden.
Zum Vergleich: Die jetzt durchgesetzten Änderungen der italienischen Verfassung gehen inhaltlich noch über die Änderungen hinaus, die Mussolini nach seiner Machtergreifung durchführen ließ.
Ist Italien auf dem Wege, wieder ein Vorreiter des Faschismus und Totalitarismus in Europa zu werden, eine neue Fackel des Faschismus, an der sich in den 20ern des 19. Jahrhunderts z. B. auch Adolf Hitler mit Bewunderung orientierte? Werden wir bald erleben, daß Italien einen "Premierminister auf Lebenszeit" wählt und Berlusconi dabei 99% der "Ja"-Stimmen erhält? |