– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Reform der sozialen Sicherungssysteme steht im
Zentrum der aktuellen politischen Debatte. Unter anderem geht es um die
beabsichtigte Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe mit
dem Ziel, hilfebedürftige und erwerbsfähige Arbeitslose wieder in
Arbeit zu vermitteln. Die parlamentarischen Beratungen dazu dauern an.
Welche Personengruppen sind derzeit hauptsächlich auf
Sozialhilfe angewiesen? Wie hat sich die Empfängerstruktur im
Zeitverlauf entwickelt? Wie viele Sozialhilfeempfänger sind
erwerbsfähig, wie viele arbeitslos? In welcher Höhe belasten die
Sozialhilfeausgaben die öffentlichen Haushalte?
Antworten auf diese Fragen liefern die Ergebnisse der
amtlichen Sozialhilfestatistik, die aktuell für das Jahresende 2002
vorliegen, und deren wesentliche Ergebnisse mein Haus bereits mit
Pressemitteilung vom 25. September 2003 veröffentlicht hat. Seit dem
In-Kraft-Treten des Bundessozialhilfegesetzes im Juni 1962 kann somit
ein Zeitraum von 40 Jahren Sozialhilfe in Deutschland statistisch
dargestellt werden. Lassen Sie mich deshalb mit einem kurzen Rückblick
beginnen.
1. 40 Jahre Sozialhilfe in Deutschland
1.1 Die Zahl der Sozialhilfeempfänger ist im Zeitverlauf stark gestiegen
Die Zahl der
Empfänger von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb von
Einrichtungen, der so genannten "Sozialhilfe im engeren Sinne" – im
Folgenden kurz "Sozialhilfeempfänger" genannt – ist seit
In-Kraft-Treten des Bundessozialhilfegesetzes im Juni 1962 deutlich
gestiegen: Während der sechziger Jahre gab es im früheren Bundesgebiet
bei nur unwesentlichen Veränderungen rund 0,5 Mill. Empfänger. Mit
Beginn der siebziger Jahre setzte ein erster spürbarer Anstieg der
Empfängerzahl ein, Anfang der achtziger Jahre folgte eine zweite
Anstiegsphase: 1982 gab es erstmals mehr als eine Million Empfänger; im
Jahr 1991 wurde die Zwei-Millionen-Marke erreicht. Ausschlaggebend
hierfür war auch die Einbeziehung der neuen Länder und Berlin-Ost,
wodurch sich die Zahl der Sozialhilfeempfänger zusätzlich erhöhte. Der
deutliche Rückgang der Bezieherzahl im Jahr 1994 ist auf die Einführung
des Asylbewerberleistungsgesetzes zurückzuführen: Zum Jahresende 1994
fielen rund 450 000 Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit aus
dem Sozialhilfebezug heraus und wechselten ins
Asylbewerberleistungsrecht über. In den darauf folgenden Jahren stieg
die Zahl der Sozialhilfebezieher wieder an, erreichte zum Jahresende
1997 den bisherigen Höchststand und verbleibt seitdem auf hohem Niveau.
1.2 Der Anteil der Bevölkerung, der Sozialhilfe beansprucht, hat sich seit 1963
verdreifacht:
Derzeit beziehen 3,3% der Bevölkerung Sozialhilfe
Zum Jahresende
2002 waren 2,76 Mill. Personen auf Sozialhilfe angewiesen, das sind
3,3% der Bevölkerung. Somit hat sich die Sozialhilfequote, d.h. der
Anteil der Sozialhilfeempfänger an der Bevölkerung, seit 1963 mehr als
verdreifacht; damals bezog lediglich 1% der Bevölkerung Sozialhilfe.
1.3 Anteil der Ausländer und Kinder mit Sozialhilfebezug deutlich gestiegen
Die Struktur der
Sozialhilfeempfänger hat sich im Zeitverlauf deutlich verändert. So ist
der Ausländeranteil zwischen 1965 und 2002 von 3% auf 22% gestiegen. Im
selben Zeitraum sank der Frauenanteil von 67% auf nunmehr 56%.
Erhebliche Veränderungen gab es auch in der altersmäßigen
Zusammensetzung der Hilfeempfänger: Zwischen 1965 und 2002 erhöhte sich
der Anteil der Kinder unter 18 Jahren von 32% auf 37% bei
gleichzeitigem Rückgang des Anteils der ab 65-Jährigen von 28% auf 7%.
Das Durchschnittsalter der Sozialhilfebezieher ist im Zeitverlauf also
deutlich gesunken.
1.4 Derzeit beziehen in Deutschland 2,76 Mill. Personen Sozialhilfe
Zum Jahresende
2002 bezogen in Deutschland insgesamt 2,76 Mill. Personen in 1,44 Mill.
Haushalten Sozialhilfe. Dies entspricht einem Anstieg um 2,2% gegenüber
dem Vorjahr. Während in Westdeutschland (ohne Berlin) die Gesamtzahl
der Empfänger gegenüber 2001 nur um 2,0% stieg, war in Ostdeutschland
(ohne Berlin) im selben Zeitraum ein deutlich stärkerer Anstieg
festzustellen (+ 7,0%).
1.5 Jede vierte allein erziehende Frau ist auf Sozialhilfe angewiesen
Unter den
Empfängern waren 2,14 Mill. Deutsche und 614 000 Ausländer. Der
Ausländeranteil lag somit bei 22%. Mit rund 56% überwogen bei den
Sozialhilfeempfängern die weiblichen Bezieher. Unter den
Sozialhilfehaushalten gab es 611 000 Haushalte von allein Stehenden,
140 000 von Ehepaaren mit Kindern und 109 000 von Ehepaaren ohne
Kinder. Besonders häufig, und zwar mit 340 000 Fällen, waren die allein
erziehenden Frauen vertreten. In Deutschland
ist mittlerweile jede vierte allein erziehende Frau auf Sozialhilfe
angewiesen. Das "Sozialhilferisiko" der allein erziehenden Frauen
steigt zudem mit der Zahl der Kinder deutlich an.
Für die einzelnen Bevölkerungsgruppen ergaben sich darüber hinaus folgende Zusammenhänge:
– Kinder (unter 18-Jährige) gehören mit einer Sozialhilfequote von 6,6% relativ häufiger
zu den Sozialhilfeempfängern als ältere Menschen (ab 65-Jährige), deren Quote lediglich
1,3% beträgt. Zum Jahresende 2002 bezogen rund 1,02 Mill. Kinder Sozialhilfe, das sind
37% aller Hilfebezieher.
– Frauen beanspruchen mit einer Quote von 3,7% relativ häufiger Sozialhilfe als Männer
mit 3,0%.
– Ausländer haben mit 8,4% eine deutlich höhere Sozialhilfequote als Deutsche mit 2,9%.
2. Sozialhilfe – ein Spiegelbild des Arbeitsmarktes
2.1 Ähnliche Entwicklung der Arbeitslosen- und Sozialhilfequote
Die Sozialhilfequote sowie die Arbeitslosenquote haben
sich im Zeitverlauf ähnlich entwickelt, wenngleich auf
unterschiedlichem Niveau. So hat sich die Sozialhilfequote seit 1963
mehr als verdreifacht und liegt derzeit bei 3,3% der Bevölkerung. Im
selben Zeitraum stieg auch die Arbeitslosenquote stark an, und zwar von
0,8% auf 10,8%.
Der Rückblick zeigt, dass das Bundessozialhilfegesetz
in einer Zeit der Vollbeschäftigung und des wirtschaftlichen
Aufschwungs in Kraft getreten ist und in den ersten Jahren auf Grund
der relativ geringen Inanspruchnahme eher den Charakter einer Hilfe für
den Sonderfall hatte. Nicht zuletzt im Zuge der stark gestiegenen
Arbeitslosigkeit sind insbesondere seit Beginn der achtziger Jahre
immer mehr Menschen in Deutschland auf diese staatliche Unterstützung
angewiesen.
2.2 732 000 Sozialhilfeempfänger arbeitslos gemeldet
Ende 2002 waren rund 732 000 Sozialhilfeempfänger,
also 44 % aller Hilfebezieher im erwerbsfähigen Alter, arbeitslos
gemeldet. Mit 7,3% ist ihre Zahl gegenüber dem Vorjahr relativ stärker
angestiegen als die Zahl aller Hilfeempfänger (+ 2,2%). In
Westdeutschland erhöhte sich die Zahl der arbeitslos gemeldeten
Sozialhilfeempfänger um 8,3%; ein noch deutlicherer Anstieg (+ 14,9%)
war in Ostdeutschland zu verzeichnen. Zwar erhielten rund ein Drittel
(34% oder 249 000 Personen) der arbeitslos gemeldeten
Sozialhilfebezieher Leistungen nach dem Arbeitsförderungsrecht (im
Wesentlichen Arbeitslosengeld und -hilfe), doch reichten diese allein
zur Sicherung des notwendigen Lebensunterhaltes offenbar nicht aus, so
dass ergänzend Sozialhilfe bezogen wurde.
Aus anderen Gründen (wie z. B. wegen häuslicher
Bindung, Krankheit, Behinderung oder Arbeitsunfähigkeit, sowie auf
Grund von Aus- und Fortbildung) nicht erwerbstätig waren 806 000
Sozialhilfebezieher, das sind 48% aller Hilfebezieher im erwerbsfähigen
Alter. Einer Beschäftigung gingen 9% (143 000) der Sozialhilfeempfänger
nach; da deren Erwerbseinkommen jedoch unterhalb des soziokulturellen
Existenzminimums lag, waren sie auf ergänzende Sozialhilfe angewiesen.
Die Mehrzahl der erwerbstätigen Sozialhilfeempfänger war
teilzeitbeschäftigt.
2.3 Sozialhilfeempfänger sind zunehmend langzeitarbeitslos
Die zum Jahresende 2002 arbeitslos gemeldeten
Sozialhilfeempfänger waren größtenteils 30 bis 39 Jahre alt; es folgt
die Altersgruppe der 40- bis 49-Jährigen. Unter den arbeitslos
gemeldeten Sozialhilfeempfängern sind viele bereits seit Jahren ohne
Beschäftigung. Deren bisherige Dauer der Arbeitslosigkeit betrug zum
Jahresende 2002 im Durchschnitt 34 Monate und lag damit um 7 Monate
über dem Wert zum Jahresende 1997. Es zeigt sich somit in dieser
Personengruppe ein Trend zur Langzeitarbeitslosigkeit. In Deutschland
sind knapp ein Drittel aller Arbeitslosen länger als ein Jahr
arbeitslos. Dagegen ist dieser Anteil bei den arbeitslos gemeldeten
Sozialhilfeempfängern mit über 60% nahezu doppelt so hoch. Innerhalb
der Gruppe der arbeitslos gemeldeten Sozialhilfeempfänger ist der
Anteil der Personen, die bereits länger als drei Jahre arbeitslos sind,
deutlich angestiegen. So waren 1997 noch 21% der arbeitslos gemeldeten
Sozialhilfeempfänger bereits länger als drei Jahre arbeitslos, zum
Jahresende 2002 schon 31%. Insbesondere die älteren Sozialhilfebezieher
sind von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen.
2.4 Das Arbeitskräftepotenzial der Sozialhilfeempfänger wird auf ca. 990 000
Personen geschätzt
Für eine Entlastung der Sozialhilfeträger spielt
die Eingliederung bzw. Wiedereingliederung arbeitsfähiger
Sozialhilfeempfänger ins Erwerbsleben eine entscheidende Rolle. Von den
1,68 Mill. männlichen und weiblichen Hilfeempfängern im Alter von 15
bis 64 Jahren – mit Ausnahme der Personen, die wegen häuslicher
Bindung, Krankheit, Behinderung oder Arbeitsunfähigkeit keiner
Erwerbstätigkeit nachgehen können – standen dem Arbeitsmarkt zum
Jahresende 2002 1,25 Mill. Personen als Arbeitskräftepotenzial (brutto)
zur Verfügung.
Zieht man hiervon die 143 000 Personen ab, die bereits
jetzt als Voll- oder Teilzeitkräfte erwerbstätig sind, sowie die
118 000 – insbesondere jungen Menschen im Alter von 18 bis 24 Jahren –
die sich in Aus- oder Fortbildung befinden – dann wären rund 990 000
Arbeitsplätze notwendig, um das unterstellte Arbeitskräftepotenzial
(netto) auszuschöpfen. Bei Eingliederung dieser Personen in den
Arbeitsmarkt würden wahrscheinlich auch viele ihrer Familienmitglieder
keine Sozialhilfe mehr benötigen.
2.5 Arbeitskräftepotenzial in Ostdeutschland sowie bei den Männern relativ hoch
Das geschätzte Arbeitskräftepotenzial (netto) ist
in Ostdeutschland relativ höher als in Westdeutschland. Ebenfalls
signifikante Unterschiede ergeben sich hierbei zwischen den
Geschlechtern: Bei den Frauen fällt das geschätzte
Arbeitskräftepotenzial (netto) deutlich geringer aus als bei den
männlichen Sozialhilfeempfängern. Dies zeigt u.a., dass die häusliche
Bindung als Ursache für den Sozialhilfebezug bei Frauen eine
wesentliche Rolle spielt.
2.6 Schulische und berufliche Qualifikation vergleichsweise gering
Entscheidend für eine erfolgreiche und dauerhafte
Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt ist nach allen
Erfahrungen ein qualifizierter Schul- bzw. Berufsausbildungsabschluss.
Rund 13% der 15- bis 64-jährigen Sozialhilfeempfänger haben keinen
Schulabschluss. Zusammen mit denen, die über einen Volks- oder
Hauptschulabschluss verfügen (45%), ergibt sich ein Anteil von fast
58%, die gar keine oder eine zumindest vergleichsweise geringe
schulische Qualifikation nachweisen können. Darüber hinaus verfügen 51%
der Sozialhilfeempfänger im erwerbsfähigen Alter über keinen
beruflichen Ausbildungsabschluss.
3. Höhe des Sozialhilfeanspruchs und Dauer des Hilfebezugs
3.1 Nettoanspruch pro Haushalt im Schnitt bei 396 Euro monatlich
Im Durchschnitt errechnete sich für einen
Sozialhilfehaushalt zum Jahresende 2002 ein monatlicher Bruttobedarf
von 842 Euro, wovon allein rund ein Drittel auf die Kaltmiete entfiel.
Unter Berücksichtigung des angerechneten Einkommens in Höhe von
durchschnittlich 446 Euro wurden pro Haushalt im Schnitt 396 Euro
– also etwas weniger als die Hälfte des Bruttobedarfs – monatlich
ausgezahlt. Mit zunehmender Haushaltsgröße gelangt tendenziell weniger
vom Bruttobedarf zur Nettoauszahlung. Das ist darauf zurückzuführen,
dass größere Haushalte häufig über mehr anrechenbares Einkommen
verfügen (z.B. Kindergeld, Unterhaltsleistungen).
3.2 Im Durchschnitt endet die Sozialhilfe nach 17 Monaten
Im Verlauf des Jahres 2002 beendeten rund 43% der
Sozialhilfehaushalte (gemessen am Jahresendbestand 2001) den
Hilfebezug, 48% kamen neu hinzu. Zwar ist es durchaus möglich, dass es
sich bei einem Teil der Zu- und Abgänge in diesem Zeitraum um die
gleichen Haushalte handelt (Mehrfachbezug innerhalb eines Jahres), auf
jeden Fall haben die nachgewiesenen Haushalte aber zumindest temporär
die Sozialhilfe verlassen. Insgesamt zeigt sich an diesen Daten, dass
eine erhebliche Dynamik im Hilfebezug vorhanden ist.
Für die 606 000 Haushalte, die im Laufe des Jahres 2002
– vorübergehend oder dauerhaft – den Hilfebezug überwunden haben,
endete die Sozialhilfe im Durchschnitt nach knapp 17 Monaten. Die
Bezugsdauer für die verschiedenen Haushaltstypen schwankt jedoch
relativ stark um diesen Durchschnittswert. Die geringste
durchschnittliche endgültige Bezugsdauer hatten nichteheliche
Lebensgemeinschaften mit Kindern (11,5 Monate). Mit Abstand am längsten
bezogen allein stehende Frauen Sozialhilfe (22,8 Monate). Größere
Unterschiede gibt es z.B. zwischen Ehepaaren mit Kindern und allein
erziehenden Frauen: Während Ehepaare mit Kindern im Schnitt nur 12,2
Monate auf Sozialhilfe angewiesen sind, ist die Bezugsdauer für allein
erziehende Frauen mit 17,4 Monaten überdurchschnittlich hoch.
Zwei Drittel der Haushalte, für die im Laufe des Jahres
2002 der Hilfebezug endete, erhielten weniger als ein Jahr Sozialhilfe.
7% der Haushalte bezogen über fünf Jahre Sozialhilfe.
Eine große Rolle bei der Überwindung der
Hilfebedürftigkeit spielt die Erlangung eines höheren Einkommens auf
Grund Erst- bzw. Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit; dies war bei
37% der Haushalte, die im Jahr 2002 den Hilfebezug überwinden konnten,
der Fall. In ebenfalls 37% der Fälle endete die Sozialhilfe, weil
andere staatliche Leistungen (z.B. Rente, Kindergeld) gewährt bzw.
erhöht wurden.
4. Sozialhilfe im Regionalvergleich
4.1 Sozialhilfequote im Osten erreicht annähernd Westniveau
Ende 2002 lebten rund 2,10 Mill. Sozialhilfeempfänger im früheren
Bundesgebiet (ohne Berlin-West), 406 000 in den neuen Ländern und
252 000 in Berlin. Gegenüber dem bisherigen Höchststand der
Empfängerzahl auf Bundesebene zum Jahresende 1997 hat sich die Zahl der
Hilfeempfänger in Westdeutschland (ohne Berlin) damit um rund 212 000
(– 9%) verringert, während sie in Ostdeutschland (ohne Berlin) um etwa
93 000 Personen (+ 30%) stieg. Die Sozialhilfequote ist in
Westdeutschland mit 3,2% jedoch nach wie vor höher als im Osten (3,0%).
Allerdings haben sich die Sozialhilfequoten im Westen bzw. Osten in den
vergangen Jahren immer mehr angenähert.
4.2 Im Westen ist ansatzweise ein Nord-Süd-Gefälle festzustellen
Im früheren Bundesgebiet ist ansatzweise
ein Nord-Süd-Gefälle erkennbar, das heißt, relativ hohe
Sozialhilfequoten im Norden und der Mitte Deutschlands, niedrige Quoten
im Süden (mit Ausnahme des Saarlandes). Unter den Flächenländern wurde
für Schleswig-Holstein mit 4,3% die höchste Sozialhilfequote ermittelt,
gefolgt von Niedersachsen und Hessen mit jeweils 3,9%. Die niedrigsten
Quoten wurden dagegen in Bayern (1,8%) und Baden-Württemberg (2,1%)
festgestellt. Die drei Stadtstaaten verzeichneten die höchsten
Sozialhilfequoten: Bremen (8,9%), Berlin (7,4%) und Hamburg (7,0%). In
den neuen Ländern wies Thüringen mit 2,2% die niedrigste
Sozialhilfequote auf, Sachsen-Anhalt mit 3,6% die höchste.
4.3 Sozialhilfequoten in Großstädten überdurchschnittlich hoch
Bei einer tiefergehenden Regionalisierung zeigt
sich ein deutliches Stadt-Land-Gefälle. So errechnet sich für 76
ausgewählte deutsche Großstädte eine durchschnittliche Sozialhilfequote
von 5,5%; dieser Wert liegt deutlich über der allgemeinen Quote von
3,3%. Die höchste Empfängerquote hat dabei erstmals Kassel (10,1%),
gefolgt von Bremerhaven (10,0%), das zwischen 1997 und 2001 stets die
höchste Quote aufwies. Die niedrigste Quote wurde für Erlangen (2,0%)
ermittelt.
5. Kommunen tragen Finanzlast für die Hilfe zum Lebensunterhalt
Die Ausgaben für die Hilfe zum Lebensunterhalt, die weitgehend von den
Kommunen finanziert werden, haben im Zeitverlauf bis 1998 stetig
zugenommen, lediglich 1994 sind sie infolge der Einführung des
Asylbewerberleistungsgesetzes zurückgegangen. Zwischen 1999 und 2001
waren die Ausgaben für die Hilfe zum Lebensunterhalt rückläufig, ehe im
Jahr 2002 dann für diese Hilfeart wieder ein Ausgabenanstieg zu
verzeichnen war.
Setzt man die jährlichen Bruttoausgaben für die
Hilfe zum Lebensunterhalt in Relation zu den kommunalen Einnahmen im
selben Jahr, dann zeigt sich, dass seit 1980 die Ausgaben der
Hilfe zum Lebensunterhalt weitaus stärker gestiegen sind als die
kommunalen Einnahmen. So verdoppelte sich dieser Anteil zwischen 1980
und 2002 nahezu (von 3,5% auf nunmehr 6,8%). Allerdings ist der Anteil
gegenüber den in den Jahren 1997 und 1998 festgestellten Höchstwerten
(jeweils 7,3%) leicht zurück gegangen.
Die Kommunen haben im Jahr 2002 für die Hilfe zum Lebensunterhalt netto 8,8 Mrd. Euro ausgegeben (+ 2,8% gegenüber 2001).
6. Sozialhilfe für besondere Lebenslagen – Pflegebedürftigkeit
in
Deutschland
6.1 Pflegeversicherung bewirkte Rückgang bei den Empfängern von Hilfe zur Pflege
Neben der Sozialhilfe im engeren Sinne gab
es 2002 noch 1,56 Mill. Empfänger von Hilfe in besonderen Lebenslagen.
Den meisten Empfängern (40% oder 626 000) wurde dabei Hilfe bei
Krankheit gewährt. Danach folgte die Eingliederungshilfe für behinderte
Menschen (37% oder 578 000) sowie die Hilfe zur Pflege (20% oder
312 000). Die Zahl der Empfänger von Hilfe in besonderen Lebenslagen
hat sich – wie bei der Hilfe zum Lebensunterhalt – im Zeitverlauf
ebenfalls deutlich erhöht.
Die Nettoausgaben für die Hilfe in
besonderen Lebenslagen beliefen sich im Jahr 2002 auf 13,2 Mrd. Euro,
3,7% mehr als im Vorjahr. Darunter sind insbesondere die
Eingliederungshilfe für behinderte Menschen mit 9,1 Mrd. Euro, die
Hilfe zur Pflege mit insgesamt 2,4 Mrd. Euro sowie die Hilfe bei
Krankheit mit 1,3 Mrd. Euro von Bedeutung.
Im Folgenden noch einige Daten zur Hilfe
zur Pflege im Rahmen der Sozialhilfe, zu den Auswirkungen des
Pflegeversicherungsgesetzes sowie zur Pflegebedürftigkeit in
Deutschland:
Die Hilfe zur Pflege im Rahmen der
Sozialhilfe wird bedürftigen Personen gewährt, die infolge von
Krankheit oder Behinderung bei den gewöhnlichen und regelmäßig
wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf fremde
Hilfe angewiesen sind. Bis zum In-Kraft-Treten des
Pflegeversicherungsgesetzes zum 1. Januar 1995 und den daraus
resultierenden Leistungen seit April 1995 (häusliche Pflege) bzw. seit
Juli 1996 (stationäre Pflege) war die Hilfe zur Pflege im Rahmen der
Sozialhilfe das wichtigste Instrument zur materiellen Absicherung bei
Pflegebedürftigkeit. Zum Jahresende 2002 erhielten insgesamt 246 000
Pflegebedürftige Hilfe zur Pflege. Das stufenweise Einsetzen der
gesetzlichen Pflegeversicherungsleistungen hatte zur Folge, dass die
Zahl der Hilfeempfänger (Jahresendbestand) bei der Hilfe zur Pflege von
1994 bis 2002 um 46% zurückgegangen ist; besonders hoch war der
Rückgang im Zeitraum 1994 bis 1998 (– 51% bzw. 231 000 Empfänger
weniger). Ebenfalls stark zurückgegangen sind die Ausgaben für die
Hilfe zur Pflege, und zwar (netto) von 6,6 Mrd. Euro im Jahr 1994 auf
2,4 Mrd. Euro im Jahr 2002 (– 63%).
Angaben zur Zahl und Struktur der
Pflegebedürftigen in Deutschland insgesamt liefert die amtliche
Pflegestatistik, die zuletzt zum Jahresende 2001 durchgeführt wurde. Im
Folgenden möchte ich Ihnen kurz die wesentlichen Ergebnisse dieser
Erhebung – die bereits im Juni 2003 veröffentlicht worden sind –
vorstellen.
6.2 Über 2 Mill. Pflegebedürftige
Im Dezember 2001 waren insgesamt 2,04 Mill.
Menschen in Deutschland pflegebedürftig im Sinne des
Pflegeversicherungsgesetzes
(SGB XI); die Mehrheit (69%) waren Frauen. 81% der Pflegebedürftigen
waren 65 Jahre und älter; 35% waren über 84 Jahre alt. Die
Pflegestatistik umfasst dabei die pflegebedürftigen Leistungsempfänger
der sozialen Pflegeversicherung und auch die der privaten
Pflegeversicherung.
Mit zunehmendem Alter sind Menschen i. d.
R. eher pflegebedürftig. Während bei den 70- bis unter 75-Jährigen
"nur" jeder Zwanzigste (5%) pflegebedürftig war, beträgt dieser Anteil
bei den 85- bis unter 90-Jährigen rund 40%.
6.3 Mehr als zwei Drittel der Pflegebedürftigen wird zu Hause versorgt
Mehr als zwei
Drittel (70% bzw. 1,44 Mill.) der Pflegebedürftigen wurden zu Hause
versorgt. Davon erhielten 1 Mill. Pflegebedürftige ausschließlich
Pflegegeld, das bedeutet, sie wurden in der Regel zu Hause allein durch
Angehörige gepflegt. Weitere 435 000 Pflegebedürftige lebten ebenfalls
in Privathaushalten. Bei ihnen erfolgte die Pflege jedoch zum Teil oder
vollständig durch ambulante Pflegedienste. 604 000 Pflegebedürftige
wurden in Pflegeheimen betreut.
6.4 Trend zur "professionellen" Pflege
Die Zahl der
Pflegebedürftigen 2001 hat gegenüber 1999 um insgesamt 1,2% bzw. 24 000
zugenommen. Die Daten weisen zudem einen Trend hin zur
"professionellen" Pflege in Pflegeheimen und durch ambulante
Pflegedienste aus: So ist die Anzahl der durch ambulante Dienste
Betreuten um 4,7% (19 000) und die in Heimen Versorgten um 5,4%
(31 000) gestiegen, während die "reinen" Pflegegeldempfänger um 2,6%
(27 000) abnahmen. Zugleich sank auch der Anteil der zu Hause
Versorgten von 71,6% auf 70,4%.
6.5 Vorausberechnung der Zahl der Pflegebedürftigen - Anstieg bis 2020 um mehr
als ein Drittel
Für die nächsten
Jahre ist im Zuge der zunehmenden Alterung der Gesellschaft auch ein
Anstieg der Zahl der Pflegebedürftigen zu erwarten. Nach den
Ergebnissen einer Vorausberechnung dürfte die Zahl von 2,04 Mill.
Pflegebedürftigen im Jahr 2001 auf 2,15 Mill. im Jahr 2005 steigen. Im
Jahr 2010 werden schätzungsweise 2,36 Mill. und im Jahr 2020 etwa
2,83 Mill. Pflegebedürftige erwartet. Der Anstieg zwischen den Jahren
2001 und 2020 wird somit auf mehr als ein Drittel (+ 39%) geschätzt.
Entsprechend wird der Anteil der Pflegebedürftigen an der
Gesamtbevölkerung zunehmen: Dieser beträgt heute 2,5% und wird bis 2020
auf etwa 3,4% steigen.
Die Aussagen beruhen auf
einem einfachen Modell: Die Vorausberechnung überträgt dabei den
heutigen Status quo der Pflegequoten (getrennt nach Geschlecht und
geschichtet nach fünf Jahresaltersgruppen) auf die veränderte
Bevölkerungsstruktur in den Jahren 2005, 2010 und 2020. Da von
konstanten Pflegequoten ausgegangen wird, bleibt ein möglicher
medizinisch-technischer Fortschritt in diesem Bereich unberücksichtigt.
Insgesamt ist der Verlauf der maßgeblichen Einflussgrößen (auch der
Bevölkerungsstruktur) mit zunehmendem Abstand vom Basiszeitpunkt immer
schwerer vorhersehbar, von daher hat insbesondere die langfristige
Rechnung bis 2020 Modellcharakter; sie zeigt, wie sich unter den
getroffenen Annahmen die Zahl der Pflegebedürftigen entwickeln wird.
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