EINSTANDSPFLICHT FÜR DEN TOD Die Rolle der Arzthaftung bei der vorgeburtlichen Selektion behinderter Kinder Von Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Philipp, Mannheim* A. Eine deutsche Wirklichkeit I. Die Lebenschancen ungeborener Kinder mit vermuteten Behinderungen tendieren gegen Null Ungeborene Kinder, bei denen pränatal eine mehr oder weniger schwer wiegende Behinderung festgestellt oder vermutet wird, werden fast regelmäßig auf Wunsch der Eltern vor der Geburt durch Abtreibung getötet. Für diese Vorgänge hat sich der Begriff „pränatale Selektion“ eingebürgert. Es handelt sich um Euthanasie, wie sie im Dritten Reich bei bereits geborenen Menschen zwangsweise vollzogen wurde: Es gibt wieder Menschen, deren Existenz für andere oder die Gesellschaft als unzumutbar angesehen wird. Was die Euthanasie im Dritten Reich anlangt, sei angemerkt, dass diese auch nach damaligen Recht illegal war. Die Gesetze, insbesondere das Reichsstrafgesetzbuch, erlaubten sie ebenso wenig wie die Morde an KZ-Insassen. Weniger der Staat als vielmehr parastaatliche Organisationen wie die SS töteten heimlich. Man wagte nicht, die Tötung öffentlich durch Gesetz zu rechtfertigen.
II. Tötung auch auf Verdacht Teil dieses Sachverhaltes ist es auch, dass solche Tötung ungeborener Kinder in einer prozentual schwer erfassbaren Zahl von Fällen nur „auf Verdacht“ erfolgt, d.h. ohne die sichere Erkenntnis, dass oder mit welcher prozentualen Wahrscheinlichkeit eine Behinderung vorliegt oder ob diese therapierbar ist. Infolge dessen wird im Rahmen dieser Praxis auch eine unbekannte Zahl gesunder oder therapierbarerer Kinder vor der Geburt getötet. III. Tötung auch bei Lebensfähigkeit In einer nicht unerheblichen Zahl von Fällen kommen diese Kinder nach einer Abtreibung mit Prostaglandin lebend zur Welt und werden dann durch „Liegenlassen“ dem Tode überantwortet. In der medizinischen Literatur werden ca. 800 Fälle dieser Art pro Jahr eingeräumt. Diese Praxis ist an einem besonders spektakulären Fall in Oldenburg allgemein offenkundig geworden. Vor etwa drei Jahren hat das Kind Timo seine eigene Abtreibung überlebt und ist nach Presseberichten erst nach 10 Stunden zum „Leben“ versorgt worden. IV. Ursache des Problems: Die pränatale Diagnostik Dass sich eine derartige – noch vor wenigen Jahren ganz undenkbare – Praxis entwickeln konnte, hängt mit dem technischen Fortschritt der pränatalen Diagnostik zusammen. Durch die Möglichkeit der Ultraschalluntersuchung und die verschiedenen Methoden, genetische Unregelmäßigkeiten oder Fehlentwicklungen des ungeborenen Kindes festzustellen, steht im Falle jeder einzelnen Schwangerschaft ein stark gesteigertes ärztliches Wissen zur Verfügung. Dieses setzt Entscheidungsvorgänge in Gang, die früher gar nicht in Frage kamen. Die rechtlichen und ethischen Herausforderungen sowohl an den Arzt als auch an die schwangere Frau sind dadurch in ungeahntem Maße erhöht worden und führen zu schwer wiegenden Konflikten. B. Hinter dem Tötungsgeschehen steht der Staat Die im Einzelnen zu belegende Grundthese dieses Aufsatzes lautet wie folgt: Die pränatale Selektion behinderter Kinder wird · von der Gesetzgebung ermöglicht, · von der Strafrechtspflege ohne Prüfung der Voraussetzungen uneingeschränkt geduldet, · über die Arzthaftung von der Zivilrechtsprechung im Ergebnis erzwungen, · trotzdem in der persönlichen Verantwortung des Frauenarztes belassen. I. Die Gesetzeslage als Tötungsmöglichkeit 1. Nach der früheren Fassung des § 218 a StGB war der Abbruch der Schwangerschaft durch einen Arzt unter anderem dann nicht nach § 218 strafbar, wenn „nach ärztlicher Erkenntnis dringende Gründe für die Annahme sprechen, dass das Kind infolge einer Erbanlage oder schädlicher Einflüsse vor der Geburt an einer nicht behebbaren Schädigung seines Gesundheitszustandes leiden würde, die so schwer wiegt, dass von der Schwangeren die Fortsetzung der Schwangerschaft nicht verlangt werden kann“ Nach § 218 a Abs. 3 durften in einem solchen Falle seit der Empfängnis nicht mehr als 22 Wochen verstrichen sein. Mit dieser Vorschrift, welche die so genannte embryopathische Indikation betraf, hatte der Gesetzgeber Müttern, welche ein behindertes Kind erwarten, sowie den Ärzten die Möglichkeit eingeräumt, unter den beschriebenen Voraussetzungen straffrei eine Abtreibung vor Ablauf der 22. Woche p.c. durchzuführen. Der Staat nahm in solchen Fällen nur den Strafanspruch zurück. Irgendeinen Druck in der Richtung, dass etwa Ärzte darauf hinwirken sollten, in solchen Fällen die Abtreibung auch tatsächlich durch Information, Rat und schließlich die Tat zu fördern, ist dem Gesetzestext nicht zu entnehmen. Das Strafrecht verschaffte gewissermaßen – zu Lasten des behinderten oder als behindert vermuteten Kindes – der Mutter und den Ärzten Handlungsfreiheiten, aber keine Handlungszwänge. Diese Freiheit hatte indessen eine scharfe Grenze in der 22-Wochenfrist p.c. Danach durfte eine Abtreibung aus embryopathischer Indikation nicht mehr vorgenommen werden. Zeitlich unbegrenzt war nur eine Abtreibung aus medizinischer Indikation in der damals geltenden Fassung möglich. Diese betraf aber ausschließlich die Frau, die Behinderung eines Kindes bei ansonsten normal verlaufender Schwangerschaft konnte keinen Grund zur Vornahme einer Abtreibung aus medizinischer Indikation liefern. Bei echter medizinischer Indikation ist die Tötung des Kindes nie das Ziel sondern allenfalls das Mittel zur Rettung der Mutter. 2. Durch das Schwangeren- und Familienhilfe-Änderungsgesetz, welches am 01. Oktober 1995 in Kraft trat, wurde die bisherige embryopathische Indikation als solche beseitigt. Dies hing damit zusammen, dass mittlerweile Art. 3 III des Grundgesetzes als Satz 2 folgenden Zusatz erhalten hatte: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Diese Vorschrift verbot es, im Strafrecht die Behinderung als solche zum Ansatzpunkt für eine rechtmäßige oder straflose Tötung des ungeborenen Kindes zu machen. Da der politische Wille des Parlaments jedoch weiterhin darauf gerichtet war, „Fallkonstellationen der embryopathischen Indikation aufzufangen“, erweiterte man die medizinische Indikation dergestalt, dass die zu erwartende Behinderung eines Kindes nunmehr nicht als eigene Indikation, sondern als Anlass für eine medizinische Indikation der Mutter anzusehen sei. Dabei kam dann als § 218 a Abs. 2 StGB die folgende Formulierung heraus: „Der mit Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt vorgenommene Schwangerschaftsabbruch ist nicht rechtswidrig wenn der Abbruch der Schwangerschaft unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwer wiegenden Beeinträchtigung des körperlichen und seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden und die Gefahr nicht auf eine andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann.“ Das heißt auf Deutsch: Das ungeborene Kind kann wegen seiner vermuteten Behinderung als solches unzumutbar sein und rechtmäßig getötet werden. 3. Im Ergebnis hat sich gegenüber der im Hinblick auf das Grundgesetz an sich abgeschafften embryopathischen Indikation nichts geändert mit einer Ausnahme: Die frühere 22-Wochenfrist ist, weil es sich ja jetzt um eine „medizinische Indikation“ handeln soll, ganz gestrichen worden. Deshalb kommt es seit dieser Zeit in zahlreichen Fällen zu Schwangerschaftsabbrüchen auch nach der 22. Woche p.c., die früher gar nicht zugelassen waren. Der Gesetzgeber hat also durch diese Vorschrift die Abtreibung behinderter Kinder in wesentlich weiterem Rahmen zugelassen als dies früher der Fall gewesen ist. Dies geschah vorsätzlich und in vollem Bewusstsein der Tragweite; dagegen erhobene Einwendungen des Abgeordneten Hüppe wurden nicht beachtet. Die Zeitdauer der Schwangerschaft, in der eine Abtreibung zugelassen wird, wurde also fast verdoppelt. Es gibt jetzt keinen Abschnitt der Schwangerschaft mehr, in welchem eine solche Abtreibung ausgeschlossen ist. Nur aus diesem Grunde kommt es dazu, dass sogar Kinder ihre eigene Abtreibung überleben: Die Abtreibung erfolgt zu einer Zeit, in welcher sie schon extrauterin lebensfähig wären, sich also nicht mehr von geborenen Kindern unterscheiden. So weit wie der Bundesgesetzgeber gingen nicht einmal die Nationalsozialisten. In dem Erbgesundheitsgesetz vom 14. Juli 1933 in der Fassung vom 26. Juni 1935 ist abweichend vom allgemeinen Strafrecht unter bestimmten sehr engen Voraussetzungen zwar ein Schwangerschaftsabbruch zugelassen worden, jedoch mit folgender Einschränkung: „Es sei denn, dass die Frucht schon lebensfähig ist oder die Unterbrechung (also nicht: die Fortsetzung) der Schwangerschaft eine ernste Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der Frau mit sich bringen würde.“ Außerdem war die Entscheidung nicht wie heute privatisiert, sondern u.a. von einer vorangegangenen Gerichtsentscheidung abhängig. Als nicht lebensfähig war nach damaligen Vorstellungen die Frucht dann anzusehen, wenn der Abbruch vor Ablauf des 6. Schwangerschaftsmonats erfolgt. Heute liegt naturgemäß dieser Zeitpunkt im Hinblick auf die neuen medizinischen Möglichkeiten früher. Es ist mithin ohne wenn und aber festzustellen, dass die heutige Regelung wesentlich weiter geht als selbst diejenige im Dritten Reich, jedenfalls bevor dieses während des Krieges mit der auch damals aber illegalen Euthanasie an schon geborenen behinderten Menschen begann. 4. Auch die neue Gesetzgebung des Bundes bedeutet aber nur die Eröffnung weit reichender Möglichkeiten für Schwangere und Ärzte, das behinderte Kind zu beseitigen. Einen Zwang, sich in dieser Richtung zu verhalten, gibt das Gesetz nicht her, insbesondere keinen Rechtsanspruch der Schwangeren gegen den Arzt, eine solche Abtreibung durchführen zu lassen. Ob und inwieweit von den durch das Gesetz geschaffenen weit reichenden Möglichkeiten wirklich Gebrauch gemacht wird, bleibt nach dem Wortlaut des Gesetzes im Freiheitsraum der Beteiligten. 5. Die Neufassung der so erweiterten medizinischen Indikation ist nicht mit § 12 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes abgestimmt. Danach ist niemand verpflichtet, an einem Schwangerschaftsabbruch mitzuwirken. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Mitwirkung notwendig ist, um von der Frau eine anders nicht abwendbare Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung abzuwenden. Man wird davon ausgehen müssen, dass die Verpflichtung des Arztes, an einem Schwangerschaftsabbruch mitzuwirken, ausschließlich Fälle der klassischen medizinischen Indikation betrifft, nicht aber die zahlreichen Fälle, die jetzt zur Abtreibung behinderter Kinder nach § 218 a Abs. 2 StGB führen. In diesen Fällen steht nach meiner Meinung dem Arzt das Recht aus § 12 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes zur Seite, nicht an einem Schwangerschaftsabbruch „mitwirken“ zu müssen. Strafrechtlich und erst recht zivilrechtlich ist bisher nicht entschieden, wann diese „Mitwirkung“ und damit auch das Weigerungsrecht beginnt: Schon bei der Suche nach genetischen Mängeln des Kindes, bei der Beratung bzw. Information der schwangeren Frau oder erst bei der tatsächlichen Vornahme der Abtreibung? 6. Während nach der herkömmlichen medizinischen Indikation ausschließlich Gefahren für die Mutter im Vordergrund standen, welche durch die Schwangerschaft selbst bedingt waren, verlaufen Schwangerschaften, bei denen Mütter ein behindertes Kind erwarten, normalerweise unauffällig; die Geburt ist in den allermeisten Fällen problemlos. Die „medizinisch-embryopathische“ Indikation, welche die Grundlage für die Abtreibung behinderter Kinder bildet, wird deshalb durch den behandelnden, beratenden oder informierenden Frauenarzt selbst erzeugt: Erst dadurch, dass er im Wege der Ultraschalluntersuchung oder der Amniozentese den genetischen oder sonstigen „Mängeln“ des Kindes nachspürt und diese der Mutter offenbart, schafft er für die Mutter den von dieser später in Anspruch genommenen Rechtfertigungsgrund für eine Abtreibung aus medizinisch-embryopathischer Indikation. Ohne die Mitteilung von dem Zustand des Kindes hätte die Mutter regelmäßig keine Ängste, welche ja gerade nicht die Schwangerschaft als solche, sondern das spätere Zusammenleben mit dem geborenen behinderten Kind betreffen. 7. Durch die Erschaffung einer solchen medizinisch-embryopathischen Indikation und ihre Formulierung in § 218 a Abs. 2 StGB hat der Gesetzgeber mithin in raffinierter Weise die Ärzte für sein politisches Ziel instrumentalisiert, ohne dass diese oder auch die Öffentlichkeit diesen Zusammenhang erkennen konnten. Gleichwohl – ich betone es nochmals – hat der Gesetzgeber hier nur „Möglichkeiten“, aber keine Zwänge für den Frauenarzt geschaffen. Zwänge entstehen bis dahin allenfalls de facto dadurch, dass schwangere Frauen die Ärzte in anderer Weise – etwa durch Appelle an ihre „Hilfsbereitschaft“ - unter Druck setzen können und dieses auch häufig tun. Durch die Neufassung des § 218 a StGB ist den Ärzten die einfache Möglichkeit genommen, sich ohne weiteres darauf zu berufen, dass jedenfalls mit Beginn der Lebensfähigkeit in der 22. Woche Abtreibungen verboten sind, wie es früher der Fall war. II. Die Strafrechtspflege fällt aus und erweitert die Tötungsmöglichkeiten über das Gesetz hinaus Trotz dieser soeben dargestellten Situation gibt es strafrechtlich keinen Flankenschutz im Interesse des Kindes. Strafverfahren wegen Verletzung des § 218a Abs. 2 StGB, etwa weil ‑ wie häufig – die dort verlangten Voraussetzungen in Wirklichkeit gar nicht vorliegen, sind nicht bekannt geworden. Die Strafrechtspflege nimmt von Abtreibungstatbeständen auch dann keine Kenntnis und verfolgt sie nicht, wenn hinreichender Tatverdacht besteht. Die von den jeweiligen Justizministern beherrschten Staatsanwaltschaften sind sich für ihr Nichtstun politischer Rückendeckung sicher. Die politischen Kräfte aller Parteien sind sich offenbar mehrheitlich darüber einig, dass nicht einmal der neue § 218 a Abs. 2 StGB korrekt angewendet werden soll. Wer wegen einer auch nur vermuteten Behinderung ein Kind abtreibt oder im Vorfeld daran mitwirkt, läuft in der Praxis kein strafrechtliches Risiko. Da im Falle einer Abtreibung i.d.R. auch kein zivilrechtlich darstellbarer Schaden entsteht, ist die Mitwirkung von Ärzten an der Tötung ungeborener Kinder mit vermuteter Behinderung in jeder Hinsicht risikofrei. Auch das Honorar ist verdient wie jedes andere auch. Eine andere Frage ist allenfalls die innere, offensichtlich sehr unterschiedliche, Gewissenslage der Ärzte. Ganz anders sieht die Sache aber aus, wenn ein Kind mit Behinderung am Leben bleibt. Davon soll nachfolgend die Rede sein. III. Die zivilrechtliche Haftungsrechtsprechung als Zwang zur ärztlichen Mitwirkung am Töten. 1. Eine wesentliche Ursache dafür, dass von den im Strafrecht geschaffenen und in der Strafrechtspraxis geduldeten rechtlichen Möglichkeiten in dem beschriebenen Umfang auch tatsächlich Gebrauch gemacht wird, liegt in der Rechtsprechung des 6. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs. Diese ist daher im Folgenden einer eingehenden Betrachtung und auch Kritik zu unterziehen. Es gab einmal eine Zeit, in welcher Ärzte zivilrechtlich oder strafrechtlich nur dann zur Verantwortung gezogen werden konnten, wenn sie wegen eines Kunstfehlers den Tod oder die gesundheitliche Schädigung ihres Patienten zu verantworten hatten. Das korrespondierte mit der ausschließlichen und selbstverständlichen Pflicht des Arztes, im Interesse des Patienten diagnostisch und therapeutisch tätig zu sein. Das Aufkommen der pränatalen Diagnostik hat zunächst von den medizin-technischen Möglichkeiten her die Grundlage dieser seit Jahrtausenden geltenden Betrachtungsweise verändert. Plötzlich ist der Arzt in der Lage, durch Ultraschalluntersuchungen, Amniozentese, Chorionzottenbiopsie etc. schon vor der Geburt auch solche gesundheitlichen Schäden des Kindes zu entdecken, die nicht therapierbar sind oder sonst die Eltern stören. Zu ihnen gehören körperliche und geistige, meist genetisch bedingte Behinderungen. Es ist inzwischen eine Alltagserfahrung, dass der Arzt, wenn er solche genetisch nicht behebbare Behinderungen der Mutter mitteilt, in aller Regel den Anstoß dazu gibt, dass die Mutter sich zu einem Schwangerschaftsabbruch entschließt. Die Mitteilung durch den Arzt kommt einem Todesurteil für das Kind gleich, für jeden Arzt ist das auch voraussehbar. Versuche des Arztes, mit den genannten technischen Mitteln auch nicht therapierbare „Mängel“ des Kindes aufzuspüren und diese der Mutter mitzuteilen, spalten sein Bewusstsein: Plötzlich kann er gar nicht mehr ausschließlich therapeutisch denken. Er gerät in die Situation, durch die Mitteilung solcher entdeckter „Mängel“ an der möglichen und vorhersehbaren Tötung des ungeborenen Kindes mitzuwirken: Selektion statt Therapie, ein völlig neuer Tatbestand. Die Sache wird für den Arzt rechtlich umso dramatischer, als nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch das ungeborene Kind sein Patient ist, weil es in den „Schutzbereich“ des mit der Mutter abgeschlossenen ärztlichen Behandlungsvertrages einbezogen wird. In Fällen dieser Art muss sich der Arzt also zwischen dem „therapeutischen“ Interesse der Patientin Mutter einerseits sowie dem zu unterstellenden Willen des Patienten Kind, am Leben zu bleiben andererseits, entscheiden. Dieses ist zunächst nur die aus der pränatalen Diagnostik als solcher folgende Konfliktlage. Noch schlimmer wird der Konflikt, wenn ein Kind seine eigene Abtreibung überlebt. Dann sitzt der Frauenarzt vollends in der Falle. Behandelt er das schon geborene Kind nicht unverzüglich „zum Leben“, macht er sich wegen eines Tötungsdelikts oder zumindest wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar. Verhält er sich aber in dieser Situation gesetzmäßig, so haftet er zivilrechtlich, weil er den Abtreibungsvertrag mit der Mutter nicht erfüllt hat. Für eine positive Überraschung hat kürzlich Frau Gesundheitsministerin Fischer gesorgt, als sie in der FAZ in einem Artikel die Frage stellte, wer eigentlich Menschen das Recht gebe, „stellvertretend für ein noch nicht geborenes Kind zu entscheiden, ob es mit einer Krankheit leben kann und will“. Die Ministerin setzt sich ausdrücklich für mehr „Ehrfurcht vor dem Leben“ ein. Bekanntlich war dies eine leider in diesem Land beinahe in Vergessenheit geratene Forderung Albert Schweitzers. Eine große Zahl zustimmender Leserbriefe in der FAZ war die Folge. In einem davon wird die einfache Frage gestellt, ob das alles nicht auch für gesunde Kinder gelte, die nach der Beratungsregelung abgetrieben werden. Die Rechtsordnung hat es bisher weder durch die Gesetzgebung noch gar durch die Rechtsprechung geschafft, diese ganz neue Pflichtenkollision der Ärzte normativ zu erfassen und zu regeln, ja sie überhaupt als solche zu erkennen. Es kam vielmehr gerade unter Ausblendung dieser Konfliktlage zu einer bedrückenden Entwicklung der Rechtsprechung, für welche der 6. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs als oberstes Revisionsgericht verantwortlich ist. Der eigentliche Anstoß zu der gegenwärtigen, über 90 % der Fälle erfassenden pränatalen Euthanasie geht also nicht vom Strafrecht, sondern vom Zivilrecht aus: Ein ebenso sachfremder wie überraschender Tatbestand. 2. Die Entwicklung und heutige Ausfaltung dieser Rechtsprechung ist nun im Folgenden näher zu betrachten: Im Vordergrund muss die Frage stehen, was eigentlich Inhalt des zwischen einer schwangeren Frau und ihrem die Schwangerschaft begleitenden Arzt stillschweigend oder ausdrücklich abgeschlossenen Behandlungsvertrages ist. In der Vergangenheit gab es keine Konfliktlage: Es war klar, dass der Arzt als Vertragspartner Mutter und Kind gleichermaßen die erforderlichen medizinischen Maßnahmen nach den Regeln der ärztlichen Kunst schuldete. Ärztliche Behandlung bedeutete grundsätzlich nur: Diagnose und ggf. Therapie. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat sich aber allmählich die Vorstellung herausgebildet, dass der Frauenarzt der Mutter alles schuldet, was medizintechnisch möglich ist: Dazu gehört auch die sorgfältige Suche nach nicht therapierbaren genetischen oder sonstigen Defekten des ungeborenen Kindes und die anschließende Information der Mutter. Ziel dieser Information ist es nach dem Willen des Bundesgerichtshofs, der Mutter auch die Entscheidung darüber, ob sie das Kind abtreiben lassen will oder nicht, zu ermöglichen. Es würde zu weit führen, hier die Entwicklung dieser Rechtsprechung nachzuzeichnen. Es genügt, dass ich mich mit zwei Urteilen aus jüngerer Zeit beschäftige, die von grundsätzlicher Tragweite sind. a) Für eine Schwangerschaftsbegleitung waren keine besonderen vertraglichen Absprachen getroffen worden. Der Fall spielte schon im Jahre 1981, wurde aber erst rechtskräftig im Jahre 1998 entschieden. Der Frauenarzt hatte bei einer damals noch sehr unvollkommenen Ultraschalluntersuchung den Umstand nicht berücksichtigt, dass der Kopf des Kindes recht klein war. Ihm wurde vorgeworfen, die schwangere Frau nicht aus diesem Grunde zum Zwecke weiterer Untersuchungen zu dem Ultraschallzentrum einer Universität geschickt zu haben. Es wurde wegen einer ‑ sehr seltenen – Veränderung des Gens Nr. 9 ein schwerbehindertes Kind geboren. Die Eltern behaupteten im Nachhinein, im Falle richtigen Verhaltens des Arztes hätten sie das Kind abtreiben lassen. Das Oberlandesgericht und der Bundesgerichtshof gingen ohne Weiteres davon aus, dass der Arztvertrag auch die Verpflichtung enthalte, nach nicht therapierbaren Mängeln des Kindes zu suchen und die Mutter auch dann darüber zu informieren, wenn dies zur Tötung des Kindes führen konnte. Schon die fahrlässige Verletzung dieser Pflicht sei ein Haftungstatbestand. Im Hinblick darauf, dass doch gerade nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das ungeborene Kind ebenfalls Patient des Arztes ist, wäre es aber unabdingbar gewesen, die dadurch entstehende Konfliktlage des Arztes rechtlich zu erörtern. Es wäre zu begründen, wie es möglich ist, dass Mutter und Kind einerseits gleichermaßen Patienten des Arztes sind, der Arzt aber trotzdem im Falle eines Interessenkonfliktes zwischen beiden sich uneingeschränkt auf die Seite der Mutter zu schlagen sowie Untersuchungen und Informationen zu leisten hat, die nach inzwischen gefestigter Lebenserfahrung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zur Tötung des Kindes führen werden. Eine dramatischere Konfliktlage lässt sich kaum ausdenken. Die in diesem Punkt so gut wie nicht begründete Ansicht des 6. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs findet sich schon im Leitsatz des in dieser Sache ergangenen Urteils vom 3. März 1997. Darin ist von einem Schadensersatzanspruch gegen den Arzt die Rede, „der die Geburt eines – wie hier wegen angeblich fehlerhafter vorgeburtlicher Untersuchung schwerstbehindert zur Welt gekommenen – Kindes zu verantworten hat.“ Es kam indessen im konkreten Fall dennoch im Endergebnis nicht zu einer Verurteilung des Frauenarztes. Zwar wurde ein „Fehlverhalten“ des Arztes angenommen, es fehlte jedoch an der Kausalität zwischen diesem „Fehlverhalten“ und der unterbliebenen Abtreibung, weil diese erst nach Ablauf der damals geltenden 22-Wochenfrist möglich gewesen wäre. Geblieben aber ist der Ansatz, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung der Arzt bei ganz normaler Schwangerschaftsbegleitung verpflichtet sein soll, alle Maßnahmen zu ergreifen, um auch nicht therapierbare Mängel des Kindes aufzuspüren und diese der Mutter mitzuteilen. Handelt er bei der Aufspürung dieser Mängel fahrlässig und entdeckt sie nicht oder aber unterlässt er es, die Mutter auch über nicht therapierbare Mängel ausreichend zu informieren, so haftet er und zwar auch für den Unterhalt des Kindes, also für einen rein wirtschaftlichen Schaden. Dazu muss die Mutter später nur behaupten, bei „richtiger“ Handlungsweise des Arztes hätte sie das Kind abtreiben lassen. Die Formulierung des BGH, das genetisch belastete Kind sei „wegen“ fehlerhafter Untersuchung zur Welt gekommen, ist ebenso schockierend wie seine Aussage, der Arzt habe die Geburt eines Kindes „zu verantworten“. Hier wird höchstrichterlich buchstäblich eine haftungsbegründende Einstandspflicht für die Tötung eines Menschen konstituiert: Ein Satz, der zu größter Besorgnis Anlass gibt. In der Praxis führt er dazu, dass der Arzt seine ärztliche Unbefangenheit gegenüber Mutter und Kind verliert und Entscheidungen in erster Linie unter dem Gesichtspunkt einer „Selbstverteidigung“ gegen Haftungsrisiken treffen muss. b) Eine weitere dramatische Verschärfung dieser Rechtsprechung ist einem Urteil des 6. Zivilsenats vom 29. Juni 1999 zu entnehmen: Eine im 46. Lebensjahr stehende Frau vermutete, schwanger zu sein. Sie begab sich zu dem beklagten Frauenarzt mit dem Ziel, sich über diese Frage Gewissheit zu verschaffen. Durch eine Verkettung unglücklicher Umstände, in denen der Bundesgerichtshof aber auch ein Fehlverhalten des Frauenarztes sah, kam dieser zu einem negativen Ergebnis und verneinte das Bestehen einer Schwangerschaft. Später stellte sich heraus, dass die Frau doch schwanger war, es wurde ein Kind mit Trisomie 21 geboren. Die Frau behauptete, bei rechtzeitiger Kenntnis ihrer Schwangerschaft hätte sie die erforderlichen Untersuchungen durchführen und bei Kenntnis der Trisomie 21 die Schwangerschaft abbrechen lassen. Der Bundesgerichtshof verurteilte den beklagten Frauenarzt dazu, den Unterhalt des Kindes zu bezahlen und formulierte wie folgt: „Wäre er bei der Behandlung der Klägerin im August 1987 seinen Pflichten in der gebotenen Weise nachgekommen, hätte sich ergeben, dass die Klägerin schwanger war. In diesem Falle hätte die Klägerin einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen, sodass es zur Geburt des behinderten Kindes nicht gekommen wäre.“ An anderer Stelle heißt es, die Klägerin hätte bei richtigem Verhalten des Frauenarztes eine Fruchtwasseruntersuchung veranlasst, bei der aller Wahrscheinlichkeit nach die „verhängnisvolle Trisomie 21“ aufgefallen wäre. Dieser Befund hätte die Klägerin und ihren Ehemann wiederum zu dem Entschluss gebracht, die Schwangerschaft auf legale Weise abbrechen zu lassen. Der BGH denkt also – wie im Zivilrecht auch sonst – ausschließlich in den Kategorien der Kausalität. Dass die Geburt eines Menschen aber schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht in gleicher Weise als Schaden qualifiziert werden kann wie andere Rechtsfolgen fehlerhaften Verhaltens, akzeptiert er nicht. Dieses Urteil ist, wie Professor Dr. Hans‑Bernhard Wuermeling es im August 1999 in einer Radiosendung zum Ausdruck brachte, wahrhaft Aufsehen erregend. Es ist auch durch die bisher vorliegende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht gedeckt. In seinem Urteil vom 28. Mai 1993 formulierte der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts folgenden Leitsatz: „Eine rechtliche Qualifikation des Daseins eines Kindes als Schadensquelle kommt von Verfassungswegen (Artikel 1 GG) nicht in Betracht. Deshalb verbietet es sich, die Unterhaltspflicht für ein Kind als Schaden zu begreifen. Der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts wandte sich in einem Beschluss vom 12. November 1997 gegen diese Auffassung. Das betraf allerdings nur den Fall, dass ein Arzt durch falsche genetische Beratung die Empfängnis eines behinderten Kindes nicht verhindert hat. Die „Nichtverhinderung der Geburt“ eines schon empfangenen Kindes hat der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts jedenfalls bisher nicht gedeckt, die Frage ist noch offen. Zwischen den beiden Senaten des Bundesverfassungsgerichts besteht seitdem ein schwerer Dissens. Der zweite Senat hatte am 22. Oktober 1997 an seiner Ansicht festgehalten und die Auffassung vertreten, die hier anstehenden Rechtsfragen könnten nur vom gesamten Plenum des Bundesverfassungsgerichts entschieden werden, woran der erste Senat sich aber nicht hielt. Der 6. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs steht allerdings schon lange auf seinem dem 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts widerstreitenden Standpunkt. Neu ist allerdings, dass nach Ansicht des 6. Zivilsenats die Einstandspflicht des Frauenarztes dafür, dass alle nur denkbaren genetischen Defekte eines ungeborenen Kindes einerseits erkannt und andererseits der Mutter mitgeteilt werden, nicht nur im Falle der eigentlichen Schwangerschaftsbegleitung, sondern sogar schon in dem vorangehenden Stadium der Schwangerschaftsfeststellung bestehen soll. Schon dann, wenn aus irgendwelchen Gründen fehlerhafterweise eine in Wirklichkeit bestehende Schwangerschaft nicht festgestellt wird, soll der Arzt haften, wenn ein behindertes Kind geboren wird. Die Mutter muss nur behaupten, bei rechtzeitiger Feststellung der Schwangerschaft hätte sie die erforderlichen Untersuchungen getroffen und die Schwangerschaft abbrechen lassen. Nennenswerte Prozesschancen hat der Frauenarzt dann nicht mehr, zumal der BGH der Mutter auch noch Beweiserleichterungen zugesteht. Nimmt man nun noch hinzu, dass der BGH sich nicht scheut, den schon in dem vorangegangenen Berufungsurteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf verwendeten Begriff der „verhängnisvollen Trisomie 21“ auch selbst aufzunehmen, so wird klar, was hier vorgeht: Diese eine Einstandspflicht für den Tod enthaltende Interpretation des Behandlungsvertrages zeigt eindeutig, an welchem Punkt die Rechtsprechung des 6. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs angelangt ist: Der Frauenarzt haftet für von ihm nicht zu vertretende (genetische) Schäden des ungeborenen Kindes und deren Folgen, die nur durch die Tötung dieses Kindes zu „vermeiden“ sind. Ein Ergebnis, das sowohl den Rechtsstaat als auch das ärztliche Selbstverständnis schlechthin in Frage stellt. Es ist aus Sicht der Staatsmacht, welche dieses Gericht letztlich vertritt, erwünscht, dass behinderte Kinder nicht geboren werden, das „Verhängnis“ ist zu vermeiden. Verletzt ein Arzt auch nur geringfügig die ihm vom Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang auferlegten Pflichten oder kann er auch nur das Gegenteil nicht beweisen, so trifft ihn eine Haftung, die seine Existenz zerstören kann, wenn er nicht ausreichend versichert ist. Ist er ausreichend versichert, so sind enorme Versicherungsprämien zu entrichten. Es gibt Frauenärzte, welche aus diesem Grund eine Schwangerschaftsbegleitung mittlerweile ablehnen und sich auf andere frauenärztliche Tätigkeiten beschränken. Die ersten Versicherungen verlangen bereits so genannte „Abwehrprämien“, um solche Risiken nicht übernehmen zu müssen. Von gesetzlichen Krankenkassen wurde bekannt, dass sie zum Zweck ihrer eigenen Kostenentlastung Eltern behinderter Kinder dazu drängen, Haftpflichtprozesse gegen die schwangerschaftsbegleitenden Frauenärzte anzustrengen: Arzthaftung als Rückversicherung für Krankenkassen! Stellt man einerseits dieser scharfen Haftung für den Fall, dass ein Kind geboren wird, andererseits die Risikolosigkeit für den Arzt gegenüber, wenn das ungeborene Kind getötet wird, so ist klar, welche Konsequenzen diese Rechtsprechung hat: Der Arzt ist immer auf der sicheren Seite, wenn er seinerseits alles getan hat, was zur Tötung des Kindes führen kann und es auch zu dieser Tötung kommt. Die Geburt eines behinderten Kindes hingegen bedeutet für ihn ein untragbares Risiko. Sie muss nach dieser Rechtsprechung um jeden Preis verhindert werden, wenn der Arzt nicht sich selbst und seine Familie der Existenzvernichtung ausliefern will. c) Ich habe gegen diese Rechtsprechung des 6. Zivilsenates allerdings klare juristische Einwendungen: aa) Zum einen besteht der schon angesprochene Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. bb) Zum anderen hat ausgerechnet der 6. Zivilsenat die insoweit richtige Rechtsprechung entwickelt, dass bei der normalen Schwangerschaftsbegleitung das Kind ebenfalls Patient des Arztes ist. Dann müsste er aber auch den Widerspruch aufklären, der darin liegt, dass der Arzt sich im Konfliktfall für die Mutter und gegen das Kind entscheiden soll, obwohl doch beide seine Patienten sind. Der Bundesgerichtshof hat es bisher unterlassen, sich mit dieser fundamentalen Konfliktlage, die jedem gewissenhaften Arzt bekannt ist, auch nur auseinander zu setzen, er hat sie noch nie auch nur angesprochen. Diese Unterlassung ist nicht lege artis. Widersprüchliche Urteile können keinen Bestand haben. Es verstößt im Übrigen auch gegen das von der Verfassung vorgegebene Willkürverbot des Art. 3 des Grundgesetzes, den Ärzten eine solche Konfliktsituation, sich zwischen den beiden Patienten (Mitwirken am Töten oder zahlen) entscheiden zu müssen, aufzuerlegen. Es widerspricht jeder durch Art. 3 des Grundgesetzes geforderten inneren Sachgesetzlichkeit, Pflichtenkollisionen in ein und derselben Person in dieser Weise zu institutionalisieren und sie dann auch noch mit einem enormen Haftungsrisiko zu belasten. Dieses Risiko ist dann am größten, wenn das Kind am Leben bleibt, tendiert jedoch gegen Null, wenn es getötet wird. An einem solchen Vorgang mitzuwirken, ist auch heute noch längst nicht jedermanns Sache, sondern eine Gewissensfrage, vor welcher die Staatsmacht allerdings kaum mehr Respekt hat. Der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts hat zwar in seinem Urteil vom 28. Mai 1993 Arztverträge, welche im Rahmen der bekannten „Beratungsregelung“ auf die Tötung ungeborener Kinder vor Ablauf der 12. Schwangerschaftswoche gerichtet sind, für wirksam erachtet. Ganz abgesehen davon, dass ich auch das nicht für richtig halte, haben diese Verträge aber immerhin eine inhaltlich eindeutige Zielsetzung: Den Schwangerschaftsabbruch. Das ist etwas ganz anderes, als einen normalen, auf Schwangerschaftsbegleitung gerichteten Vertrag dahin auszulegen, dass er automatisch auch die Pflicht zur vorbereitenden Mitwirkung an einer Abtreibung enthält, obwohl das abgetriebene Kind Patient des Arztes ist. cc) Nach der Rechtsprechung des 6. Zivilsenats haftet der Frauenarzt bei „Versäumung pränataler Diagnostik“ für den Unterhalt des behinderten Kindes, wenn die Eltern behaupten, ohne diese „Versäumung“ das Kind abgetrieben zu haben. Diese rechtliche Schlussfolgerung des BGH greift zu kurz und übersieht den engen Zusammenhang zwischen der solche Abtreibungsfälle u.U. recht-fertigenden Vorschrift des § 218 a II n.F. StGB und dem Zivilrecht. Der zivilrechtliche Behandlungsvertrag und seine Rechtsfolgen können nicht weiter gehen, als die im Strafrecht vorgesehene Rechtfertigung eines eventuellen Schwangerschaftsabbruchs. Weder die frühere noch die heutige Fassung des § 218 a Abs. 2 StGB stellen aber auf die wirtschaftlichen Folgen der Behinderung eines geborenen Kindes ab. Finanzielle Mehrbelastungen – die im Übrigen auch teilweise von der Gesellschaft über Kassenleistungen oder soziale Hilfen übernommen werden oder übernommen werden sollten - gehören jedenfalls nicht zur strafrechtlichen Rechtfertigung. Diese bezieht sich nur – nach der Neufassung des § 218 a II StGB – auf eine „Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwer wiegenden Beeinträchtigung des körperlichen und des seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren“. Der Behandlungsvertrag zwischen einer schwangeren Frau und dem Frauenarzt kann sich also stillschweigend allenfalls darauf erstrecken, Gefahren für das Leben oder die Gefahr einer schwer wiegenden Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes der Frau abzuwenden. Dass die Geburt eines behinderten Kindes höhere Unterhaltskosten auslösen könnte, gehört nicht zu den Rechtfertigungsgründen des Strafrechts. Es darf deshalb auch nicht zivilrechtlich sanktioniert oder gar gefordert werden, der Mutter Entscheidungen zu ermöglichen, die verboten sind: Eine Abtreibung, die aus diesem Grunde durchgeführt würde, wäre verboten und strafbar. Es wäre auch ein Offenbarungseid der Rechtsordnung, wenn sie den Tod eines ungeborenen Kindes sogar schon aus rein wirtschaftlichen Gründen rechtfertigen würde. Das ist undenkbar. In einer neuen Entscheidung vom 5. Februar 2000 hat der BGH soeben präzisiert, dass auch sonst die Haftung des Arztes für den Unterhalt eines ungewollten Kindes nur dann in Betracht kommt, wenn gerade „die Vermeidung der wirtschaftlichen Belastung vom Schutzzweck des Beratungs- und Behandlungsvertrages mitumfasst wird.“ Dieser Gedanke muss, soweit er auf „Versäumnis“ bei der pränatalen Diagnostik angewandt wird, konsequenterweise auch hier gelten: Der Arzt kann allenfalls insoweit haften, als sich bei seiner Patientin durch die Geburt des Kindes eines derjenigen Risiken verwirklicht, die in § 218 a StGB aufgeführt sind, also etwa „schwere Gesundheitsschäden“. Auf keinen Fall gehört der Unterhalt des Kindes zu diesen Risiken. Es ist also an den 6. Zivilsenat zu appellieren, diesen seinen eigenen richtigen Ansatz auch auf solche Fälle zu übertragen und seine Rechtsprechung zu ändern. Das hätte zur Folge, dass jedenfalls eine Haftung für den Unterhalt des Kindes auch in Fällen zu verneinen ist, in denen der Arzt „Fehler“ bei der pränatalen Diagnostik gemacht hat und deshalb ein behindertes Kind zur Welt kommt. Die Haftung des Arztes würde sich nur auf andere Rechtsfolgen, nicht aber auf den Unterhalt des Kindes erstrecken. Ein solcher Schluss ist auch deshalb zwingend, weil jetzt schon abzusehen ist, dass die bisherige Rechtsprechung des 6. Zivilsenats auch noch Rückwirkungen auf das Strafrecht haben könnte (oder schon hat). Es wäre fatal, wenn stillschweigend eine schwer wiegende Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes einer Schwangeren schon darin gesehen würde, dass sie die finanzielle Belastung durch ein behindertes Kind befürchtet. Auf keinen Fall geht es an, Behandlungsverträgen zwischen einer Schwangeren und ihrem Frauenarzt sogar stillschweigend eine Zielsetzung zu unterstellen, die über die rechtlichen Möglichkeiten des § 218 a II StGB hinausgeht. Unabhängig von alle dem müsste als Voraussetzung zivilrechtlicher Haftung jedenfalls festgestellt werden, dass die Indikation des § 218 a II StGB ganz konkret unzweifelhaft vorgelegen hätte. Die Beweislast hierfür müsste bei der klagenden Mutter liegen. IV. Hinter dem Tötungsgeschehen steht der Staat Alle in Betracht kommenden Staatsorgane, der Gesetzgeber, die Strafjustiz und vor allem die Ziviljustiz arbeiten Hand in Hand in offenbar stillem Einverständnis dahin, dass ungeborene Kinder aus der Gesellschaft selektiert werden. Der Bundesgesetzgeber hat die Möglichkeiten dazu geliefert, die Strafjustiz tritt gleich gar nicht in Erscheinung, ausgerechnet die Ziviljustiz steuert über die in diesem Zusammenhang kaum je genannte Arzthaftung das letztlich von der politischen Klasse gewünschte Geschehen. Gleichzeitig wäscht sich diese politische Klasse aber die Hände in Unschuld. Sie lässt die Frauenärzte mit dem Problem allein, stürzt sie in unerträgliche Pflichtenkollisionen und bedroht ihre Existenz, wenn sie sich „fahrlässig“ oder aus Überzeugung der Mitwirkung an diesem Tötungsgeschehen widersetzen. Auch die Frage, ob und inwieweit das Weigerungsrecht des Arztes aus § 12 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes auch zivilrechtlich haftungs-begrenzenden Charakter hat, ist bisher noch nicht ausgeschöpft, kaum andiskutiert. Wenn ein Arzt nur in Fällen streng verstandener medizinischer Indikation an einem Schwangerschaftsabbruch mitwirken muss, dann kann er nicht dennoch zivilrechtlich haften, wenn er an Vorbereitungshandlungen oder Beihilfehandlungen zu sonstigen Schwangerschaftsabbrüchen nicht teilnimmt. Stets bleibt der jeweils betroffene Frauenarzt mit seiner Verantwortung allein. Der Gesetzgeber, die handelnden oder nicht handelnden Beamten und die Rechtsprechung bewegen sich im Abstrakten und lehnen jede konkrete Verantwortung ab. Es fällt schwer, ein Beispiel ähnlich brutaler Instrumentalisierung eines ganzen Berufsstandes für eine letztlich von Staat und Gesellschaft in Wirklichkeit gewollte, nach außen aber nicht zugegebene Staatszielsetzung zu finden. In aller Klarheit sei nochmals festgestellt, dass die Gesetzeslage heute wesentlich weiter geht als im Dritten Reich. Damals sind die uns noch heute bedrückenden Vorgänge illegal gewesen, heute wird die Tötung behinderter Kinder sogar dann ausdrücklich als rechtmäßig angesehen, wenn sie bereits nach der 20. Schwangerschaftswoche lebensfähig sind: Die Verfügung des Menschen über das Leben eines anderen Menschen ist in weitaus stärkerem Maße „legal“ als selbst in der verflossenen Diktatur, deren Praxis nach damaligem Recht zwar Tatsache, aber rechtswidrig war. Als im Jahre 212 der römische Kaiser Caracalla seinen Mitregenten und Bruder Geta hatte hinrichten lassen, beauftragte er den 72-jährigen Juristen Aemilianus Papinianus, diesen Mord öffentlich zu rechtfertigen. Papinianus antwortete: „Non tam facile parricidium excusari posse quam fieri.“ Ein Brudermord ist leichter zu begehen als zu entschuldigen. Daraufhin wurde auch er hingerichtet. Der Satz des tapferen Kollegen ist von bleibendem Wahrheitsgehalt. Noch die Nationalsozialisten fürchteten ihn intuitiv, deshalb änderten sie die Gesetze nicht, um sie ihrer Praxis anzugleichen. Der heutige „Rechtsstaat“ hat allerdings mit der Rechtfertigung der Tötung ungeborener Kinder dieses Problem selbst dann nicht mehr, wenn diese schon extrauterin lebensfähig sind. Daraus folgt, dass in der Bundesrepublik Deutschland die Menschenwürde in ganz prinzipieller Weise abgeschafft ist. Wenn auch nur ein Mensch frei und sogar rechtmäßig über das Leben eines anderen verfügen kann, hat niemand mehr Menschenwürde. Es ist zwar nicht zu verkennen, dass es tragische Grenzfälle gibt, in denen alle diese Vorgänge im Einzelfall bei schwerer Behinderung auf menschliches Verständnis stoßen. Es kann aber auf keinen Fall so sein, dass ein Mensch, hier also der Frauenarzt, auch noch haftet, wenn es nicht zur Tötung eines ungeborenen behinderten Kindes kommt. Es muss nach Wegen gesucht werden, eine Regelung oder ein Verfahren zu finden, welches die Ärzte aus der Falle ihres Interessenkonfliktes erlöst und die ganz und gar sachfremde Beeinflussung des Abtreibungsgeschehens ausgerechnet durch das Zivilrecht beendet. C. Vorschläge zur Lösung des Konflikts I. Klärung der Haftpflichtproblematik durch Gesetz Die vom 6. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entwickelte, vom 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts verworfene, von dessen 1. Senat aber gebilligte Rechtsprechung zum „Kind als Schaden“ führt in eine Sackgasse: 1. Die Rechtsprechung blockiert sich sogar innerhalb des Bundesverfassungsgerichts selbst, was einen einmaligen Vorgang darstellt. Den für solche Fälle geschaffenen Weg, die Frage dem großen Senat des Bundesverfassungsgerichts vorzulegen, hat der 1. Senat abgelehnt. Die 2 Senate des höchsten Gerichts stehen sich in dieser Frage kontrovers gegenüber, eine Klärung ist von dort nicht zu erwarten. Schon das ist ein Skandal. 2. Ein weiterer Skandal liegt in der Sache selbst: Solche Frauenärzte, für die in Übereinstimmung mit der Verfassung das ungeborene Kind ein Lebensrecht hat, können mit dem ihnen durch raffiniertes Zusammenwirken aller in Betracht kommenden Staatsorgane auferlegten Konflikt, der ein massiver Interessenkonflikt zwischen Mutter und Kind ist, nicht leben. Es ist klar, dass am Ende dieser Entwicklung eine ärztliche Unterversorgung werdender Mütter herauskommen könnte. 3. Dass die ungeborenen, mit der Vermutung einer Behinderung belasteten Kinder mit dieser Regelung im wahrsten Sinne des Wortes „nicht leben“ können, ist die makabre Konsequenz des vom Staat heraufbeschworenen Konflikts. 4. Durch die Haftung des Frauenarztes auch für den Unterhalt können sich unerwünschte Rückwirkungen im Sinne einer noch weiteren Auslegung des § 218 a II StGB ergeben, sodass letztlich jeder befürchtete wirtschaftliche Schaden durch ein behindertes Kind die Indikation begründet. Damit schließt sich der verhängnisvolle Kreis. In einer solchen Lage kann nur noch der Gesetzgeber helfen und Rechtssicherheit schaffen. Auch der BGH selbst hat immerhin bereits in einem frühen Urteil vom 18. März 1980 eine gesetzliche Regelung für erforderlich gehalten. Die Frage, ob gesunde oder kranke Menschen als Schaden zu begreifen sind, darf nicht länger unentschieden bleiben, nachdem die Dritte Gewalt in dieser Frage in schlimmer Weise versagt hat. Es wird deshalb hier vorgeschlagen, in das Schwangerschaftskonfliktgesetz einen neuen § 12 a aufzunehmen, der sich die auf das Grundgesetz gestützte Auffassung des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts zu Eigen macht. Eine solche Bestimmung könnte etwa wie folgt lauten: § 12 a Zivilrechtliche Haftungsbegrenzung (1) Die rechtliche Qualifikation des Daseins eines Kindes oder der Unterhaltspflicht für ein Kind als Schadensquelle ist ausgeschlossen. (2) Aus dem Arztvertrag mit einer Schwangeren kann unabhängig von dessen Zielsetzung nicht die Rechtsfolge abgeleitet werden, dass der Arzt für die Vermeidung der Geburt eines unerwünschten, kranken oder behinderten Kindes rechtlich einzustehen, insbesondere im Falle der Geburt dessen Unterhalt als Schaden zu tragen hat. Entgegenstehende Vereinbarungen sind nichtig. Im Übrigen gelten die allgemeinen Vorschriften. In der Gesetzesbegründung wäre darauf hinzuweisen, dass diese Vorschrift sich in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts zwingend aus dem Grundgesetz (Art. 1 Abs. 1) ergibt. Diese Bestimmung lautet: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Durch eine solche gesetzliche Regelung würde der zwischen den beiden Senaten des Bundesverfassungsgerichts und dem 6. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs schwelende Streit endgültig im Sinne des Grundgesetzes entschieden. Abs. 2 dieses Gesetzesvorschlages konkretisiert den in Abs. 1 enthaltenen, vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen und dessen Formulierung im Wesentlichen entsprechenden Grundsatz für alle in Betracht kommenden Fälle. Er unterstellt (notgedrungen) die vom Bundesverfassungsgericht – auch dem 2. Senat – an sich zugestandene Rechtswirksamkeit eines Arztvertrages, der auf einen Schwangerschaftsabbruch ausgerichtet ist, begrenzt aber wenigstens die Rechtsfolgen für den Fall, dass dieses Ziel nicht erreicht wird. Das gilt auch für Fälle misslungener Abtreibungen. Auch hier verlangt es die Menschenwürde des Kindes, sich selbst oder seinen eigenen Unterhalt nicht als existenziellen Schaden begreifen zu müssen. Die sonst gültigen Regeln der Zivilrechtsdogmatik müssen im Konfliktfalle ausnahmsweise der Verfassung weichen. Der Mensch ist nicht für das Zivilrecht da, sondern das Zivilrecht für den Menschen. Wenn das Zivilrecht zur Tötung eines Menschen als Grundrechtsträger verpflichtet, kann das mit der Verfassung nicht vereinbar sein: Die Perversion des Rechtsgedankens wäre komplett. Im Übrigen bleibt die Arzthaftung unberührt, insbesondere wenn durch Handlungen des Arztes selbst das Kind während der Schwangerschaft geschädigt wird. Erfüllt der Arzt den Arztvertrag im Hinblick auf einen möglichen oder gar verabredeten Schwangerschaftsabbruch nicht, so würde sich seine Haftung im Wesentlichen auf den Verlust oder die Rückzahlung seines Honorars oder etwaige sonstige Nebenfolgen der Vertragsverletzung beschränken, jedoch nicht den Unterhalt für das unerwünschte oder behinderte Kind umfassen. II. Begrenzung der Arzthaftung durch den Behandlungsvertrag? Ein anderer Weg könnte darin bestehen, die Haftung durch einen entsprechenden Behandlungsvertrag zwischen dem Frauenarzt einerseits und der schwangeren Frau andererseits zu begrenzen. In dem schon zitierten Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29. Juni 1999 findet sich die folgende Passage: „Maßgebend für Art und Umfang der vom Arzt geschuldeten Tätigkeit ist der nach Maßgabe der jeweiligen Heilberufsgesetze bestehende Inhalt des mit dem Patienten abgeschlossenen Behandlungsvertrages. Enthält dieser wie hier keine ausdrückliche Vereinbarung, kommt es darauf an, wie die Parteien bei verständiger Würdigung und Berücksichtigung der Verkehrssitte nach Treu und Glauben den Behandlungswunsch des Patienten einerseits und die Übernahme der Behandlung durch den Arzt im Rahmen seiner kassenärztlichen Pflichten andererseits verstehen durften.(§§ 133, 157 BGB)“ Auch in seinem neuesten Urteil vom 15. Februar 2000 stellt der BGH – wie dargestellt – deutlicher als bisher auf den „Schutzzweck des Beratungs- oder Behandlungsvertrages“ ab. Wir haben gesehen, dass der 6. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs dem auf Schwangerschaftsbegleitung gerichteten, oft nur formlos abgeschlossenen Arztvertrag die Pflicht des Arztes entnimmt, im Rahmen vorgeburtlicher Untersuchungen auch solche Auffälligkeiten des Kindes zu suchen und die Mutter darüber zu informieren, welche nicht therapierbar sind und zur Tötung des Kindes führen können. Die soeben zitierte Passage lässt aber immerhin die Annahme zu, dass der Bundesgerichtshof ausdrückliche vertragliche Vereinbarungen, welche den dargestellten Konflikt des Arztes auflösen, für zulässig halten könnte. Wenn und soweit der Gesetzgeber den Konflikt nicht löst, kann er vielleicht auf dem Vertragswege geregelt werden, allerdings mit deutlich weniger Rechtssicherheit. Es müsste indessen sichergestellt sein, dass die Krankenkassen oder die privaten Krankenversicherungen der Patienten einerseits und die Haftpflichtversicherungen der Frauenärzte andererseits eine solche vertragliche Gestaltung und die dennoch verbleibenden etwaigen juristischen Risiken mittragen. Das gilt insbesondere für den Fall, dass die Rechtsprechung eine vertragliche Haftungsbegrenzung aus welchen Gründen auch immer nicht anerkennen sollte. Gerade für diesen Fall müsste der Versicherungsschutz des Frauenarztes erhalten bleiben. Zumindest sollte zwischen dem Frauenarzt und der Schwangeren vereinbart werden, dass die Arzthaftung nicht den Unterhalt für ein Kind umfasst (Haftungsbegrenzung). D. Zusammenfassung Die Haftung eines schwangerschaftsbegleitenden Frauenarztes für den Unterhalt eines behinderten Kindes führt zu unerträglichen Pflichtenkollisionen und Risiken für den Frauenarzt. Es gibt drei Wege diese Haftung wenigstens zu mildern: 1. Der 6. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs ändert seine Rechtsprechung, indem er die zivilrechtliche Haftung auf die strafrechtliche Rechtfertigung des § 218 a Abs. 2 StGB beschränkt. Diese bezieht sich nur auf die Vermeidung einer Gefahr für das Leben oder des Gesundheitszustandes der Schwangeren, nicht aber auf die Vermeidung von Vermögensschäden wie etwa Unterhaltspflichten. 2. Der Gesetzgeber löst den Konflikt zwischen den beiden Senaten des Bundesverfassungsgerichts durch eine gesetzliche Klärung dahin, dass die rechtliche Qualifikation des Daseins eines Kindes oder der Unterhaltspflicht für ein Kind als Schadensquelle ausgeschlossen. Ist. Dies könnte durch die vorgeschlagene Einfügung eines § 12 a in das Schwangerschaftskonfliktgesetz geschehen. 3. In einem geeigneten Behandlungsvertrag schließt der Frauenarzt grundsätzlich wenigstens die Haftung für den Unterhalt des Kindes aus, das von einer durch ihn betreuten Schwangeren geboren wird. Dass die Lösungen zu 1 und/oder zu 2 einer solchen vertraglichen Regelung vorzuziehen sind, versteht sich von selbst. Der Verfasser ist sich bewusst, dass seine Vorschläge nur eine Teillösung des Problems bringen. Fair und der Menschenwürde entsprechend wäre es, auch jenseits der Unterhaltsproblematik – etwa im Sinne einer bloßen nicht einklagbaren „Naturalobligation“ - jede Haftung eines Frauenarztes für solche Schädigungen eines Kindes auszuschließen, die nicht vom Arzt verursacht sondern von der Natur vorgegeben sind und nur durch Tötung des Kindes vermieden werden könnten. Ein mehr die Vergangenheit als die Gegenwart bewältigender Zeitgeist ist indessen von solcher Sicht der Dinge weit entfernt. |